Monarchie und Alltag

Was bleibt: Königin Elizabeth II. ist die Mutter der „Royal Soap“

Beste Unterhaltung: Skandale aller Art begleiteten die 70-jährige Regentschaft der Queen. Unschuldig war sie daran nicht. Im Gegenteil!

Menschlich, nahbar, privat: Die damalige Prinzessin Elizabeth (rechts) mit ihrer Schwester Margaret im Jahre 1939.
Menschlich, nahbar, privat: Die damalige Prinzessin Elizabeth (rechts) mit ihrer Schwester Margaret im Jahre 1939.BBC

Zu den bleibenden Verdiensten von Elizabeth II. gehört die Verwandlung der altehrwürdigen Königsfamilie in eine supereinträgliche Unterhaltungsfirma. Die britischen Royals sind da weltweit führend – kein anderes Königshaus bietet ein solches Programm. Schönstes und bestes Entertainment für alle, die es interessiert, und das sind nicht wenige. Die „Royal Soap“ wird nahezu täglich ausgespielt, sie liefert neben dem üblichen Repräsentationsgedöns, also etwa der Eröffnung von Krankenhäusern, dem Besuch von Kindergärten oder Verlesen von Regierungserklärungen, vor allem handfeste Skandale.

Die königliche Familie hat sich hier unter der Ägide Elizabeths als sehr zielstrebig erwiesen. Erinnert sei an die vielen Affären ihrer jüngeren Schwester Margaret, der bis heute unübertroffenen Party- und Glamourprinzessin. Die tragische Liebesgeschichte ihres Sohns Prinz Charles und Lady Dianas erschüttert das Königshaus und damit auch uns bis heute; das Gleiche gilt für den anderen Spross Prinz Andrew, den „geilen Andy“, wie er vom Boulevard genannt wird, sowie zu Beginn für die Tochter Prinzessin Anne. Und der Enkel Prinz „Dirty“ Harry sowie seine Meghan haben uns ebenfalls nicht enttäuscht.

Elizabeth II. und die Veralltäglichung der Monarchie

Sie alle boten zuverlässig und in hoher Qualität beste Unterhaltung. Allerdings entstand sehr schnell der Eindruck, die Königin habe mit all dem nichts zu tun – die vielen Entgleisungen und Peinlichkeiten in der Familie hätten die so sittenstrenge wie pflichtbewusste Elizabeth wie ein Unheil, ein böses Schicksal heimgesucht. Das ist so allerdings nicht richtig. Vielmehr sorgte Elizabeth selbst dafür, als sie Ende der 1960er-Jahre das in Verruf geratene Königshaus – in dem sich angeblich nur dekadente Sonderlinge auf Kosten der britischen Steuerzahler tummelten – modernisieren wollte.

„Normale, hart arbeitende“ Leute: Prinz Philip ganz ungekünstelt als Hobbymaler: Szene aus der BBC-Doku „Royal Family“.
„Normale, hart arbeitende“ Leute: Prinz Philip ganz ungekünstelt als Hobbymaler: Szene aus der BBC-Doku „Royal Family“.BBC

Die Idee dazu kam von Ehemann Prinz Philip. Er wollte der Öffentlichkeit zeigen, dass die Mitglieder der Königsfamilie „normale, hart arbeitende Leute sind“ und war überzeugt, dass sich die Monarchie im Zeitalter der Massenmedien nicht länger durch Mystifizierung oder Überhöhung bewahren lasse und also auch die Privatsphäre der Familienmitglieder, eigentlich bezahlte Diener des Staates, nicht um jeden Preis geschützt werden müsse. Man wollte nahbar und nützlich sein, und so entstand mit der BBC die Dokumentation „Royal Family“, gewissermaßen die Mutter der „Royal Soap“.

Hier zeigten sich die Windsors als glückliche Familie mit ihren Kindern – das Team der BBC begleitete sie ein Jahr lang und ließ so ein vermeintlich ungekünsteltes, unverfälschtes, eben authentisches Bild entstehen. Aus heutiger Sicht vollkommen unglaubwürdig, brach die 1969 im britischen Fernsehen ausgestrahlte Doku alle Tabus. Elizabeth fürchtete die weitere Verweltlichung oder Veralltäglichung der Monarchie und sollte die erneute Ausstrahlung bis zum heutigen Tage verhindern. Für den Boulevard war dies ein Zeichen, der Aufruf zur Bilder- und Menschenjagd. Eine Rechtfertigung von höchster Stelle.

Die Szene aus der Doku „Royal Family“ zeigt die Königsfamilie am Frühstückstisch: Anne, Elizabeth, Philip und Charles (v. l.).
Die Szene aus der Doku „Royal Family“ zeigt die Königsfamilie am Frühstückstisch: Anne, Elizabeth, Philip und Charles (v. l.).Keystone