Der Mauerfall ging in die Geschichte ein als ein Tag, der bewiesen hat, dass die Deutschen zu Revolutionen fähig sind - und zwar zu friedlichen Revolutionen. Am 9. November 1989 fiel die Mauer - und kein einziger Schuss fiel. Die Proteste endeten friedlich, die Ostdeutschen zahlten kein Blutzoll. Ein System, das am Ende war, verabschiedete sich auch deshalb ohne Gewalt, weil die Mächtigen in diesem System zu der Einsicht gelangten, dass jedes „Weiter so!“ zu einer Spirale des Niedergangs führen würde. Heute erinnern wir uns an die Wende und die deutsche Einheit als Revolution ohne Tote.
Der Fall des Eisernen Vorhangs wird also als Ereignis in Erinnerung bleiben, in dem sich eine große geopolitische Zäsur ohne einen Krieg abgespielt hat. Im Hintergrund verzichteten die Großmächte auf Gewalt, weil die richtigen Köpfe Verantwortung übernahmen: Michail Sergejewitsch Gorbatschow auf der sowjetischen und George H.W. Bush auf der amerikanischen Seite.

Auch die deutsche Politik hat ihren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen. Die friedlichen Machtübergaben von der Krenz- an die Modrow-Regierung, deren Organisation der ersten freien Wahlen in der DDR und die Übergabe an die De-Maizière-Regierung und deren Übergabe wiederum nach dem Beitritt an die damals in Bonn ansässige bundesdeutsche Administration stellen Sternstunden verantwortlichen politischen Handels dar. Vielleicht würde die heutige Weltlage sich anders entwickeln, wenn es Staatslenker geben würde, die mit einer ähnlichen Weitsicht und mit einem ähnlichen Willen zur Akzeptanz von geopolitischen Tatsachen ihre Politik und ihre Visionen gestalten würden. Umso entscheidender ist es heute, das friedliche Erbe vom 9. November 1989 weiterhin zu kultivieren.
Einer dieser Menschen, die diesen kostbaren Geist weiterleben lassen, ist George H.W. Bushs Enkel Pierce Bush. Die Verleger der Berliner Zeitung, Silke und Holger Friedrich, lernten den Amerikaner bei einer Veranstaltung am 9. Mai 2023 im ehemaligen Staatsratsgebäude der ESMT kennen, einer Privatuniversität und führenden Business School in Deutschland, an der Staatslenker von morgen ausgebildet werden. Pierce Bush war anwesend, als die Bush-Stiftung die Schirmherrschaft über die Restauration des Westflügels im Staatsratsgebäude übernahm.
Initiiert wurde die Zusammenarbeit zwischen Bush-Stiftung und ESMT von Jörg Rocholl, dem Präsidenten der ESMT, der seit 2011 durch sein Engagement die Privatuniversität im Herzen Berlins zu einer der besten in ihrem Bereich entwickelt hat. Der Westflügel des historischen Gebäudes war lange nicht genutzt worden, da die Gelder für eine Rekonstruktion nicht ausreichten. Für den Ausbau wurde eine Spendenkampagne gestartet, für die die Bush-Stiftung in Tradition kluger US-Politik in Gedenken an den Großvater George Bush Senior die Verantwortung übernommen hat. Seitdem sind viele Millionen zusammengekommen, sodass der denkmal-konservatorisch sensible Umbau jetzt starten kann.
Pierce Bush steht für das gewaltfreie Erbe des Mauerfalls und für die Erhaltung der Erinnerung an die Geschichte der Wende sowie an jene Menschen, die den friedlichen Transformationsprozess 1989 eingeleitet haben. Die Verleger der Berliner Zeitung haben daher zum 35. Jubiläum des Mauerfalls Pierce Bush darum gebeten, der Berliner Zeitung ein Grußwort zu schicken. In seinem Text erinnert Pierce Bush an die Errungenschaften der Ostdeutschen im Allgemeinen und an das Engagement seines Großvaters im Speziellen.
„Einer der stolzesten Momente meines Großvaters als Präsident war die Führung der USA während des Falls der Berliner Mauer, der zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands führte. Während viele seiner Berater wollten, dass er ‚auf der Mauer tanzt`, siegten sein besseres Urteilsvermögen und sein guter Charakter, da er wusste, dass dies kein amerikanischer Moment war, sondern eher einer für Deutschland und sein Volk. Dank seines geschickten Umgangs mit der amerikanischen Macht in diesem entscheidenden Moment der Geschichte endete der Kalte Krieg, ohne dass eine Kugel abgefeuert wurde, und seither herrscht in weiten Teilen Osteuropas Freiheit. Und das wiedervereinigte Deutschland bleibt einer unserer stärksten und wichtigsten Verbündeten, was zu einer sichereren und besseren Welt für alle führt.“


