Ein türkisches Gericht hat einen Haftbefehl gegen den Journalisten Deniz Yücel verhängt. Die Entscheidung erging in einem Verfahren, in dem Yücel Beleidigung des Präsidenten sowie Verunglimpfung des türkischen Staates und der Justiz vorgeworfen werde, teilte sein Anwalt Veysel Ok am Donnerstag mit. Der Welt-Korrespondent lebt in Deutschland und war bei dem Prozess nicht vor Ort.
Die Vorwürfe gegen ihn beziehen sich laut der Anwaltsvereinigung MLSA auf Inhalte aus von ihm verfassten Artikeln. Darin habe er Erdogan etwa einen „Putschisten“ genannt. Die Schriftstellervereinigung PEN Berlin fordert die sofortige Einstellung der Verfahren gegen ihren Co-Sprecher Yücel. Der Prozess in Istanbul soll am 17. Oktober fortgesetzt werden.
„Der Skandal besteht darin, dass dieser Prozess überhaupt eröffnet wurde.“ Erklärung zum Haftbefehl, der heute in der Türkei gegen unseren Co-Sprecher Deniz Yücel erlassen wurde. https://t.co/KhyoJSh0xx pic.twitter.com/b7Zxfw3psA
— PEN Berlin (@pen_berlin) May 18, 2023
Yücel war von Februar 2017 bis Februar 2018 ohne Anklageschrift im Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul inhaftiert. Erst nach einem langen politischen Tauziehen zwischen Ankara und Berlin kam Yücel frei und konnte ausreisen – gleichzeitig wurde Anklage erhoben. Im Juli 2020 wurde er in Abwesenheit wegen Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu rund zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Im Januar 2022 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei wegen der Inhaftierung Yücels verurteilt und entschieden, dass das Vorgehen seine Menschenrechte auf Freiheit und Sicherheit sowie auf freie Meinungsäußerung verletzt habe.
Der Haftbefehl sei an diesem Donnerstag erlassen worden, schreibt der PEN Berlin in einer Pressemitteilung. Yücel gehört zu den Gründungsmitgliedern der Schriftstellervereinigung.
„Jenseits von verfahrenstechnischen Hintergründen besteht der Skandal darin, dass dieser Prozess wegen ‚Verunglimpfung des türkischen Staates und der türkischen Nation‘ sowie wegen ‚Beleidigung des Staatspräsidenten‘ überhaupt eröffnet wurde“, heißt es in der Mitteilung.
Der PEN Berlin verweist auf eine Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts und auf die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Beide hätten Yücels einjährige Untersuchungshaft für rechtswidrig befunden. Zugleich hätten die Gerichte festgestellt: „Alle Kommentare, Berichte und Interviews, die Deniz Yücel in der Welt veröffentlicht hatte und die ihm zur Last gelegt wurden, sind von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt.“

