Sahra Wagenknecht

Zoff in der Linkspartei: Wagenknecht schweigt – und bleibt im Bundestag

Alles wie immer bei der Linken: Der Streit um die parteieigene Dissidentin Sahra Wagenknecht dominiert die Arbeit – und lähmt sie zugleich.

Sie schweigt und bleibt, zumindest im Parlament: Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht spielt seit längerem mit dem Gedanken, eine neue Partei zu gründen. 
Sie schweigt und bleibt, zumindest im Parlament: Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht spielt seit längerem mit dem Gedanken, eine neue Partei zu gründen. Britta Pedersen/dpa

Diese Situation kennt die Linkspartei schon: Es gibt mit dem europäischen Asylkompromiss, der Nato-Übung Air Defender und der Inflationsprämie für das Bundeskabinett gleich mehrere Themen, mit denen die Partei punkten könnte. Doch stattdessen steht der Dauerkonflikt mit der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht im Vordergrund. Und er wird sich wohl weiter hinziehen.

Dieses Mal hat die Parteiführung ihn selbst befeuert. Mit dem Beschluss vom Wochenende, in dem Wagenknecht aufgefordert wird, ihr Bundestagsmandat zurückzugeben, ist der Streit wieder ins Rampenlicht geschoben worden. „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“, hatte der Parteivorstandes am Wochenende einstimmig festgestellt. Die Eintracht währte nur kurz. Vor allem aus der Bundestagsfraktion kam sofort Widerspruch – und das nicht nur von den eifrigen Anhängerinnen und Anhängern Wagenknechts.

Zwei Tage nach dem Parteitagsbeschluss steht mehr oder weniger fest, dass der Bruch mit Wagenknecht erst einmal keine Konsequenzen nach sich ziehen wird. Sie selbst erklärte der Berliner Zeitung am Montag, dass sie sich zunächst nicht zu den Vorgängen äußern werde. Es gilt jedoch als ausgeschlossen, dass Wagenknecht der Forderung folgt und ihren Sitz im Bundestag aufgibt. In der Fraktion ist sie bisher nicht allzu präsent. An Fraktionssitzungen nimmt sie häufig nicht teil, Mitglied in einem Ausschuss ist sie ebenfalls nicht.

Dennoch könnte sie die Linke im Parlament massiv schwächen. Die Bundestagsfraktion hat gerade mal 39 Sitze, sobald es zwei weniger werden, ist der Fraktionsstatus futsch. Das kann schnell der Fall sein, wenn sich Wagenknecht entschließen sollte, der Partei den Rücken zu kehren, nicht jedoch dem Parlament. Dann würden ihr mit Sicherheit ein paar „Wagenknechte“ folgen, wie ihre Anhänger genannt werden. Die Oppositionsarbeit wäre weiter erschwert – in einer Situation, in der die Linke die einzige Partei im Bundestag ist, die den Asylkompromiss nicht mitträgt.

„Ich rufe zur Besonnenheit auf“, twitterte daher die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch, die in Lichtenberg eines von drei Bundestagsdirektmandaten erobert hatte. Diese drei Mandate sicherten der Linkspartei 2021 den Einzug ins Parlament – ansonsten wäre man mit dem Wahlergebnis der Zweitstimmen von 4,9 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Lötzsch wies darauf hin, dass niemand Sahra Wagenknecht zwingen könne, ihr Mandat niederzulegen.

Das war der Parteiführung bereits am Wochenende klar. Co-Parteichef Martin Schirdewan sprach denn auch von einer „Erwartungshaltung“, die man formuliert habe – wohl wissend, dass Wagenknecht diese Erwartungen schon längst nicht mehr erfüllt. Auch Parteichefin Janine Wissler äußerte sich am Montag ausweichend über die konkreten Konsequenzen des Parteitagsbeschlusses.

Sie habe aber konkrete Hinweise, dass in einzelnen Landesverbänden Kommunalvertreter angesprochen wurden, ob sie zu einer von Wagenknecht neu gegründeten Partei mitgehen wollten. „Da muss ein Parteivorstand reagieren“, so Wissler. „Wir lassen uns nicht von Mandatsträgern erpressen.“

Aus Partei und Fraktion war am Montag mehrfach zu hören, dass Anhänger von Sahra Wagenknecht versuchten, Mitglieder für eine Parteigründung zu gewinnen. Auch ist von Bundestagsabgeordneten die Rede, die ihre Bürgerbüros in den Wahlkreisen bereits gekündigt hätten. Den Vorwurf, dass einzelne Bundestagsabgeordnete kaum Wahlkreisarbeit machten und dort keine Büros unterhielten, gibt es allerdings schon länger. Wagenknecht selbst hatte wiederholt erklärt, dass sie bis Ende des Jahres entscheiden wolle, ob sie ein derartiges Projekt starte oder nicht. Wie es hieß, seien nun die Befürworter dabei, sie zu drängen.

Von den Bundestagsabgeordneten wollte sich am Montag kaum jemand äußern. Viele teilten die Ansicht von Gesine Lötzsch, dass der Parteitagsbeschluss die Arbeit in der Fraktion weiter erschwere. Manche ärgerten sich, dass Sahra Wagenknecht einmal mehr die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Im Bundestag ist eine Zusammenarbeit der Linken schon seit Anfang der Legislaturperiode schwierig. Die Wahl von Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali als Fraktionsvorsitzende galt von Anfang an als Minimalkompromiss. Seither hat man sich auf keine neue Fraktionsspitze einigen können. Der parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte etwa winkte mehrfach ab.

Nach Parteitagsbeschluss: Linke fordern gegenseitig Rücktritte

Im August soll nun neu gewählt werden. Ob sie kandidieren werde, wollte Parteichefin Janine Wissler am Montag nicht sagen. Sie hat – anders als ihr Co-Vorsitzender Schirdewan – ein Bundestagsmandat. Die Forderung des Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst, wonach nach dem Parteitagsbeschluss gegen Wagenknecht der Parteivorstand zurücktreten müsse, wies sie zurück. Wissler erklärte, der Fraktionsvorstand sei in die Entscheidung gegen Wagenknecht eingebunden gewesen. Man werde mit der Fraktion auch weiterhin darüber diskutieren. Das wird vermutlich gleich am Dienstag der Fall sein. Im Bundestag ist Sitzungswoche, dann treten auch die Fraktion zusammen.