Migrationswende

Asylpolitik: Neue Bamf-Zahlen dämpfen Merz’ zentrale Wahlkampfbotschaft

Deutschland verzeichnet zum 13. Mal in Folge mehr als 100.000 Asylsuchende – trotz politisch angekündigter Kehrtwende.

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf)
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf)dpa

Die Bundesregierung hatte zu Beginn des Jahres einen tiefgreifenden Kurswechsel in der Asylpolitik angekündigt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) versprach, damals noch als Kanzlerkandidat, ein „faktisches Einreiseverbot“ für Personen ohne gültige Dokumente und kündigte an, die Zahl der täglichen Abschiebungen solle künftig „deutlich höher“ liegen als die Zahl der täglichen irregulären Einreisen. Die nun veröffentlichten Asylzahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zeigen jedoch, wie weit die tatsächliche Entwicklung von diesen politischen Zielen entfernt bleibt.

Nach Angaben des Bamf wurden von Januar bis Ende November 2025 insgesamt 157.436 Personen als Asylsuchende registriert, davon 106.298 mit einem Erstantrag und 51.138 mit einem Folgeantrag. Die Zahl der Erstanträge liegt damit zwar um 51 Prozent unter dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, als noch 216.861 Erstanträge gestellt wurden. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Deutschland auch 2025 zum 13. Mal in Folge mehr als 100.000 Asylbewerber verzeichnet.

Langfristiger Trend hoch

Dieses langfristige Niveau relativiert den Rückgang erheblich, denn der strukturelle Zustrom hält weiterhin an. Auch die monatlichen Zugriffszahlen haben sich seit dem Frühjahr auf einem relativ stabilen Niveau eingependelt: Im November wurden 8311 neue Erstanträge gestellt, ähnlich wie in den Monaten zuvor. Die stärksten Herkunftsländer der Asylsuchenden sind weiterhin Syrien und Afghanistan. Bis Ende November verzeichnete das Bamf 22.156 syrische und 22.105 afghanische Erstanträge. Zugleich entfielen 16.579 Anträge auf in Deutschland geborene Kinder unter einem Jahr.

Insgesamt hat das Bamf zwischen Januar und November 288.320 Asylverfahren entschieden, etwas mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Gesamtschutzquote lag dabei bei 27,2 Prozent. Verglichen mit 51,7 Prozent im Jahr 2023 bedeutet dies einen deutlichen Rückgang. Der ist vor allem darauf zurückzuführen, dass syrische Staatsangehörige nach dem politischen Umbruch in Damaskus deutlich seltener einen Schutztitel erhalten, obwohl Abschiebungen nach Syrien weiterhin nicht stattfinden.

Die Behörde weist zudem darauf hin, dass die seit 2021 kontinuierlich steigende Zahl der Verfahrensentscheidungen zu einem Abbau der Altbestände geführt hat: Ende November waren noch 110.885 Verfahren anhängig, nachdem im laufenden Jahr knapp 95.000 Verfahren aus dem Bestand abgearbeitet wurden.

Rückführungen bleiben Schwachstelle

Die politische Wirkung dieser Zahlen ist ambivalent. Einerseits sinkt die Zahl der Erstanträge deutlich, doch das Level bleibt strukturell hoch. Andererseits zeigen die Dublin-Überstellungen, wie schwierig Rückführungen in der Praxis sind. Obwohl die Mehrheit der Asylsuchenden über sichere EU-Staaten einreist und Deutschland nach geltendem EU-Recht die Möglichkeit hätte, diese Menschen in jene Länder zurückzuführen, wurden bis Ende November lediglich 5112 Personen tatsächlich überstellt.

Gründe dafür sind vielfältig: Deutsche Gerichte untersagen Überstellungen in bestimmte Länder wie Griechenland oder Bulgarien aufgrund unzureichender Aufnahmebedingungen. Betroffene nutzen Kirchenasyl, bis Überstellungsfristen ablaufen, oder tauchen häufig kurz vor einer geplanten Abschiebung unter. Zusätzlich erschwert ein jüngster Beschluss des Bundesverfassungsgerichts Abschiebungen, in dem die Richter den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz betonten und damit schnelle Rückführungsmaßnahmen weiter begrenzten.

Internationale Faktoren

Auch internationale Faktoren spielen eine Rolle. So meldete das Statistische Bundesamt, dass die Zuzüge syrischer Staatsangehöriger zwischen Januar und September 2025 um 46,5 Prozent zurückgegangen seien – ein Hinweis darauf, dass der Rückgang der Asylzahlen teilweise auf veränderte Entwicklungen in Herkunfts- und Transitregionen zurückzuführen ist und nur eingeschränkt als Erfolg nationaler Politik gewertet werden kann.

So zeigt die aktuelle Bamf-Statistik letztlich vor allem eines: Die Asylpolitik der Bundesregierung wird weniger durch politische Willenserklärungen als durch rechtliche Rahmenbedingungen, internationale Entwicklungen und praktische Verwaltungsrealitäten bestimmt.

Die angekündigte Migrationswende wirkt angesichts dieser Strukturen bislang eher symbolisch. Realistisch betrachtet dokumentieren die Zahlen des Bamf vor allem die Beharrlichkeit und Komplexität der Asylmigration nach Deutschland – und die begrenzten Möglichkeiten der Bundesregierung, diesen Prozess grundlegend zu steuern.