Russlands Krieg in der Ukraine

Mariupol: Putin befiehlt Verteidigungsminister Azovstal-Erstürmung zu stoppen

Der russische Präsident stoppt den Sturm des Stahlwerks und will das „Leben russischer Soldaten“ schonen. Das Schicksal der Zivilisten dort bleibt unklar.

Putin traf Verteidigungsminister Schoigu am Morgen live vor Fernsehkameras.
Putin traf Verteidigungsminister Schoigu am Morgen live vor Fernsehkameras.Screenshot Rossiya24

Russlands Präsident Wladimir Putin hat in einem im russischen Fernsehen übertragenen Gespräch mit dem Verteidigungsminister Sergej Schoigu befohlen, den Sturm des Stahlwerks Azovstal in Mariupol abzubrechen.

In dem Gespräch sagte Putin: „Den vorgesehenen Sturm auf das Industriegebiet halte ich jetzt nicht mehr für sinnvoll. Ich befehle Ihnen, ihn abzusagen.“ Er wolle die „Leben der russischen Soldaten und Offiziere schonen“, die bei einem Fortsetzen des Angriffs verloren gehen würden.

Blockade statt Erstürmung

Statt das Stahlwerk zu stürmen, solle es eine Blockade geben, um die verbliebenen ukrainischen Truppen zur Aufgabe zu zwingen. „Wir müssen nicht in diese Katakomben klettern und unterirdisch durch diese industrielle Einrichtung kriechen“, so der russische Präsident. „Wir müssen das Gebiet absperren, damit nicht mal eine Fliege entkommen kann.“

Den ukrainischen Verteidigern solle nochmals das Angebot unterbreitet werden, die Waffen niederzulegen. In diesem Fall garantiere die russische Seite ihr Leben, würdige Behandlung in Übereinstimmung mit völkerrechtlichen Vorgaben sowie eine qualifizierte medizinische Versorgung. Die ukrainische Regierung und die Kommandeure der dort stationierten Einheiten hatten Ultimaten der russischen Seite mehrfach verstreichen lassen. Für sie komme ein Übergang in russische Kriegsgefangenschaft nicht infrage. Die Ukrainer fürchten, dass Russland Zusagen brechen könnte.

Zukunft der verbleibenden Zivilisten unklar

In dem Gespräch machte Putin auch keine Angaben, was mit den dort Schutz suchenden Zivilisten passieren solle. Am Mittwoch hatte der Kommandeur einer ukrainischen Einheit von Marineinfanteristen in einem dramatischen Appell die Welt um Hilfe gebeten. Er forderte eine Evakuierung von Zivilisten und Verwundeten per Schiff in ein sicheres Drittland. Es sollen sich derzeit noch mehr als 1.000 Zivilisten in dem weitverzweigten Gelände befinden. Unter dem Stahlwerk befinden sich kilometerlange Tunnel und Bunkeranlagen, die eine Erstürmung erschweren.

Der ukrainische Chefunterhändler und Präsidentenberater Mychailo Podoljak hatte am Mittwochabend angekündigt, dass man zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen bereit sei. Ziel sei es, einen Evaluierungskorridor in sichere ukrainische Territorien einzurichten und damit Zivilisten und ukrainische Soldaten zu retten.

Putin bezeichnet Militäroperation in Mariupol als Erfolg

Die „Befreiung“ von Mariupol bezeichnete Putin in dem Fernsehgespräch derweil als einen großen Erfolg und gratuliert Schoigu sowie den russischen Streitkräften. Die daran beteiligten russischen Truppen seien allesamt Helden und für Auszeichnungen vorzusehen, so Putin. Von der Stadt ist indes nur noch ein Trümmerhaufen übrig. Laut Schätzungen ukrainischer Behörden seien mindesten 80 Prozent der Gebäude zerstört. Von den einst 440.000 Bewohnern der Hafenstadt am Asowschen Meer seien noch ca. 100.000 in der Stadt. Die meisten Einwohner seien geflohen. Zudem gehen die ukrainischen Behörden von mehreren Tausend zivilen Opfern in Mariupol aus.