Penelope Frank ist ein Mensch, der polarisiert. Seitdem sie in Berlin aktiv ist, macht die unerschrockene 32-Jährige als Aktivistin der Letzten Generation immer wieder Schlagzeilen – sei es durch die Besetzung von Autobahnbrücken oder des Hauptstadtflughafens BER. Nebenbei arbeitet die Transfrau bei der Initiative „Gesellschaftsrat Jetzt!“, die Spenden für die Letzte Generation sammelt.
Das Einzige, wovor die derzeit wohnungslose Aktivistin Angst hat, ist das Gefängnis. Das teilte Frank der Berliner Zeitung vergangene Woche auf Anfrage mit. Denn sie befürchtet transfeindliche Diskriminierung durch männliche Mithäftlinge und Personal: Ein Gefängnis würde für sie „wegen der Transfeindlichkeit in Deutschland“ und ihres „rechtlichen Status wegen des fehlenden Selbstbestimmungsgesetzes“ nicht infrage kommen, so Frank.
Und sie wurde noch konkreter: „Selbst in Berlin“, so die Aktivistin, „würde ich wegen meines Passes in einem Männergefängnis landen“ – und das „trotz Hormontherapie, Brüsten und Ergänzungsausweis“. Doch stimmt das überhaupt?
In Berlin müssen Transfrauen nicht zwingend ins Männergefängnis
Die Berliner Zeitung fragte bei der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz nach – und die stellt die Lage differenziert dar. Einer Sprecherin zufolge kann vom Grundsatz der Geschlechtertrennung im Gefängnis abgewichen werden, „wenn Gefangene sich aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität nicht in dem in ihrem Personenstandseintrag angegebenen, sondern einem anderen Geschlecht oder dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht als zugehörig empfinden.“ So schreibt es das Berliner Strafvollzugsgesetz vor.
Heißt im Klartext: Penelope Frank, die laut Pass noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet ist, könnte auch in einem Berliner Frauengefängnis untergebracht werden.
Doch die Sprecherin der Senatsverwaltung stellt klar: Die Verlegung von Transpersonen mit einem abweichenden rechtlichen Geschlecht in Frauen- beziehungsweise Männergefängnisse kann nicht ohne Weiteres auf Wunsch erfolgen. Dafür müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden: So kann eine Transperson nur dann in einem anderen Gefängnis untergebracht werden, wenn die „Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalten“, der „zur Haft aufzunehmenden Person“ sowie der übrigen Gefangenen gewährleistet ist.
Ob das in dem gegebenen Fall möglich ist, ist Gegenstand eines Prüfprozesses, für den ein standardisierter Handlungsleitfaden und eine Checkliste gilt. Neben Mitarbeitern der Fachdienste der JVA werden auch die inhaftierte Person selbst sowie externe Beratungsstellen konsultiert. Zudem werden JVA-Mitarbeiter darin geschult, Gefangene vor Übergriffen durch Mitgefangene zu schützen und sie werden zum Themenkomplex „Diversity“ fortgebildet. So weit die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz.
Frank sammelte online Spendengelder – aus Angst vor dem Männerknast
Um unter anderem ihre offenen Strafgelder zu begleichen, setzt die Aktivistin auf Spenden. So konnte sie Ende Juli mit insgesamt rund 5600 Euro an Spendengeld zwei offene Strafbefehle bezahlen und eine Gefängnisstrafe vermeiden. Ihren Spendenaufruf auf der Plattform GoFundMe hatte sie unter anderem damit begründet, dass sie Angst davor habe, im Männergefängnis zu landen.
Gegenüber der Berliner Zeitung schilderte die Aktivistin ihre Erfahrungen in einer Gefangenensammelstelle der Berliner Polizei im Herbst 2022, in der sie laut eigener Aussage Transfeindlichkeit erlebt habe. „Seitdem habe ich panische Angst, in Berlin in Polizeigewahrsam zu landen“, sagte Frank.
Wenn ihr in Berlin eine Haftstrafe drohen würde, so Frank, würde sie einen Antrag auf die Unterbringung in einem Frauengefängnis stellen. Den Hinweis der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz auf besondere Regeln für Transpersonen will Frank trotzdem nicht gelten lassen, denn als Transperson müsse sie „mit Diskriminierung und Falschauslegung der Regelungen rechnen.“
In Brandenburg gibt es keine besonderen Regeln für Transpersonen im Strafvollzug
Für das Strafverfahren im Zusammenhang mit der Flughafenblockade am 24. November 2022 würden allerdings andere Regeln gelten. Der Hauptstadtflughafen BER liegt nicht in Berlin, sondern in Brandenburg – und dort ist die Rechtslage anders. Im Brandenburgischen Justizvollzugsgesetz kommen Transpersonen schlichtweg nicht vor. Wer dem Personenstandsregister zufolge ein Mann ist, müsste gemäß dem Trennungsgrundsatz auch in einem brandenburgischen Männergefängnis einsitzen.
Das wäre etwa dann der Fall, wenn Frank wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr verurteilt werden sollte. Für diesen besonders schweren Straftatbestand können Haftstrafen von sechs Monaten bis zehn Jahren verhängt werden. Straftatbestände wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung wiederum bewertet das Strafgesetzbuch deutlich milder: Hier kann man gegebenenfalls auch mit einer Geldstrafe davonkommen.
Wie sich das Gericht entscheiden wird, ist aber noch offen. Auf Anfrage dieser Zeitung teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Neuruppin mit, dass die Ermittlungen gegen die Aktivisten noch andauerten. Daher könne er der Berliner Zeitung „Einzelheiten zum Verfahrensstand“ nicht mitteilen.
Fallzahlen sind sehr gering
Dass die Ausgestaltung des Strafvollzugs für transsexuelle Gefangene Ländersache ist, geht auf eine Föderalismusreform aus dem Jahr 2008 zurück. Was vorher durch das bundesweit einheitliche Strafvollzugsgesetz geregelt worden war, wurde Ländersache.
Zunächst übernahmen die Bundesländer den gesetzlich vorgeschriebenen Trennungsgrundsatz – trotz Föderalismusreform galten in allen Bundesländern lange die gleichen Regeln. Der Trennungsgrundsatz des Strafvollzugsgesetzes hatte besagt, dass Transsexuelle nur dann im Gefängnis ihres gefühlten Geschlechts untergebracht werden dürfen, wenn sie ihr rechtliches Geschlecht bereits amtlich hatten ändern lassen. Wenn Transfrauen wegen Gewaltverbrechen inhaftiert waren oder sie dem Gericht zufolge in ihrer Transition noch nicht weit genug fortgeschritten waren, konnte ihnen darüber hinaus die Unterbringung in einem Frauengefängnis verwehrt beziehungsweise die Unterbringung in Einzelhaft verordnet werden – zum Schutz vor Mobbing durch männliche Mitgefangene.
Auch Klimaaktivistin Penelope Frank hat sich ihren Personenstandseintrag noch nicht ändern lassen. Dass sie trotzdem – theoretisch – in einem Berliner Frauengefängnis untergebracht werden könnte, ist einer Änderung des Berliner Strafvollzugsgesetzes zu verdanken, die das Abgeordnetenhaus im September 2021 beschlossen hatte und die es auch Personen ohne geänderten Rechtsstatus erlaubt, gegebenenfalls in ein Gefängnis des jeweils anderen Geschlechts verlegt zu werden. Die Reform stieß aber nicht nur auf Gegenliebe. So kritisierte das radikalfeministische Bündnis „Radfem Berlin“ nach Inkrafttreten des Gesetzes die Aufweichung des Trennungsgrundsatzes. Die Befürchtung der Feministinnen: Transweibliche Häftlinge könnten in Frauen-Schutzräume eindringen und sich gegenüber den Mitinsassinnen übergriffig verhalten.
Seit Inkrafttreten der Novelle sind derartige Fälle allerdings nicht bekannt. Mehr noch: Die Fallzahlen der tatsächlichen Verlegung von Transhäftlingen sind sehr gering. Eine Sprecherin der Senatsverwaltung teilte auf Anfrage mit, dass aktuell sechs Personen im Berliner Strafvollzug inhaftiert seien, die trans- oder intersexuell sind beziehungsweise den Personenstand „divers“ im Pass tragen. Davon seien drei Personen vom Männer- in den Frauenvollzug oder umgekehrt verlegt worden.


