Das politische Washington hat sich am Mittwoch auf einen historischen Tag vorbereitet. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, lud die Abgeordneten zur persönlichen Teilnahme an der letzten Sitzung vor den Weihnachtsfeiertagen ein. „Bitte seien Sie am Mittwochabend bei einer ganz besonderen Veranstaltung zum Thema Demokratie dabei“, hieß es in dem Schreiben.
Das Geheimnis war zu diesem Zeitpunkt schon gelüftet, der Gast bereits auf dem Weg: Seine erste Auslandsreise seit dem Überfall Russlands auf sein Land führte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Washington. Natürlich nach Washington und nicht nach Brüssel oder Berlin oder gar nach Paris, muss man dazusagen. Die Reise zeigte, wer der konsequenteste Verbündete der angegriffenen Ukraine ist.
Die USA haben bislang die meisten Waffen an die Ukraine geliefert. Die Militärhilfe beläuft sich nach Schätzungen auf mehr als 18 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Aus Deutschland, das sich mit seinen Hilfslieferungen keineswegs verstecken muss, kamen bisher Waffen im Wert von rund 120 Millionen Euro.
Die USA sind in jeder Hinsicht der größte Verbündete der Ukraine im Krieg gegen Russland. Es ist daher nur logisch, dass sich Selenskyj mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden trifft und nicht mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen oder dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der mit seinen Beziehungen zum russischen Präsidenten Putin viel zu sehr kokettiert. Oder mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der zwar eine Zeitenwende ausrief, ansonsten aber zögerlich ist, wenn es um seine Führungsrolle in Europa geht.
Was Joe Biden anbetrifft, kann man wohl sagen, dass durch seine Konsequenz die außenpolitische Bilanz seiner Präsidentschaft bereits jetzt erfolgreicher ist als jene seines umjubelten Vorgängers Barack Obama.
Doch auch in den USA war zuletzt von Kriegsmüdigkeit zu lesen. Sie haben wie die Europäer mit Inflation zu kämpfen, in Umfragen meinen zumindest viele Republikaner, dass die USA zu viel für die Ukraine tun. Sollte nach den Präsidentschaftswahlen 2024 tatsächlich wieder ein Republikaner ins Weiße Haus einziehen, droht womöglich ein Kurswechsel. Spätestens dann werden die Europäer mehr Verantwortung übernehmen müssen.
Die Rede von Wolodymyr Selenskyj im Kongress, die für Mittwochabend geplant war, könnte erst mal die Reihen schließen. Für ihn wird es am Mittwoch nicht nur Standing Ovations der Abgeordneten geben, sondern wohl auch eine lange erhoffte Zusage. Wie es aussieht, werden die USA nun doch zumindest ein Patriot-Abwehrsystem in die Ukraine liefern. Allerdings nicht sofort, denn erst müssen dafür ukrainische Soldaten vermutlich auf einem US-Stützpunkt in Deutschland ausgebildet werden.
Selenskyjs letzte Auslandsreise vor dem Kriegsbeginn hatte nach Deutschland geführt. Im Februar 2022 besuchte er die Münchner Sicherheitskonferenz, nur wenige Tage bevor die russischen Panzer die Grenze zum Nachbarland überrollten.
„Die Welt sagt, dass sie keinen Krieg möchte, während Russland sagt, es möchte nicht angreifen“, sagte er damals. „Irgendjemand lügt hier.“ Heute weiß man, wer der Lügner war – und folglich einlenken muss. Vielleicht bereitet die kommende Sicherheitskonferenz in München den Boden dafür. Damit das nicht nur ein frommer Wunsch bleibt, ist jetzt Konsequenz angesagt.
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