Wieder ein Sommer wie aus der Langnese-Reklame: „Like ice in the sunshine, I’m melting away on this sunny day.“ In der Wochenzeitung Zeit erschien gerade, ungewöhnlich, die ganzseitige Anzeige eines Speiseeis-Anbieters. Darin ging es aber nicht ums Wetter. Nein, Stunden bevor die EU-Innenminister sich auf verschärfte Asylregeln einigten, forderte die Marke Ben & Jerry’s von Nancy Faeser, eben diesen Beschluss zu verhindern. Denn: „Menschenrechte sind nicht verhandelbar!“
Ben & Jerry’s ist, kopfgerechnet, neunmal so teuer wie millivanilisiertes Zuckerfrostfett von Aldi. Fair fusionierte Zutaten sind das eine. Hinzu kommt, dass die Firmengründer, zwei Hippies aus Vermont, ihren ökosozialen Aktivismus mit der Produktvermarktung koppelten. Zur Jahrtausendwende kaufte der Weltkonzern Unilever die Bude, samt Image. Man wendet sich an eine nicht nur finanziell, sondern auch moralisch bessergestellte Kundschaft. Werte kosten. Deshalb schmückt die Politreklame eine liberal-postmaterielle Wochenzeitung und nicht das Schnäppchenjägerfachblatt Bodden-Blitz.
Der Eisverkäufer appelliert: „Menschen Zuflucht gewähren, überall in Europa! Zuhause geben statt Obdachlosigkeit in den Ankunftsländern.“ Zum sogenannten Menschenrecht „Zuhause überall für alle“ äußerte sich jüngst der Potsdamer Bürgermeister Mike Schubert in der taz, Schlagzeile: „Wir können nicht mehr helfen“. Oh. Das klingt wie „Das Boot ist voll“.
Bevor jetzt jemand ausflippt: Das Boot ist voll. Oder sein Hafen. Potsdam gehört zum Bündnis „Städte Sicherer Häfen“. Diese Kommunen erklärten sich einst bereit, aus dem Mittelmeer Gerettete zusätzlich zu den Kontingenten aufzunehmen. Lange riefen sie, wie auch Demonstranten: „Wir haben Platz.“ Bei Wohnungssuchenden sorgte das für Überraschung und die Frage: Wer ist „wir“? Nun sagt Schubert, selbst unter den Bestwilligen sei „so gut wie keine Stadt mehr, die sagt: Ich könnte“.
Hier geht es nur um die zur Unterbringung entwurzelter Menschen erforderlichen Immobilien. Die Rede ist noch nicht von jenen Kapazitäten, die nötig sind, damit die Leute Perspektiven bekommen, mit denen sie selbst und die Gesellschaft etwas anfangen können. Tja. Inzwischen kann jeder vierte Viertklässler nicht richtig lesen. An manchen Schulen kommen fast alle Kinder aus Migrantenfamilien. Darum kann Ben & Jerry’s sich nicht auch noch kümmern. Die Sprösslinge der Zielgruppe lernen woanders. Wenn höhere Töchter auf der Straße landen, dann klebend.


