Ich bin ganz entspannt. In meinem Weichbild klebte ja noch niemand auf der Straße. Ich nehme aber auch nur selten das Auto. Neulich vormittags rief meine Schwester an, während sie unfreiwillig an einer Apokalypsenvorbeugungsmanifestation auf dem Messedamm mitwirkte. Die Show lief zehn Minuten, aber die Gute klang bereits echauffiert. Ich kenne meine Schwester, oh ja. Dazu, dass sie ein Stück hinter der Staufront stand, kann ich den Aktivisti nur gratulieren.
Ich atme ruhig und gleichmäßig. Obwohl da auf dem Asphalt angeblich Kinder für die Sünden ihrer Eltern haften, gebräche es auch mir an Einsicht in die Notwendigkeit. Ich wäre wohl unduldsam und geneigt, bei der Räumung der Infrastruktur selbst Hand anzulegen. Dafür müsste ich es nicht mal eilig haben. Nein, aus Prinzip und weil das Kraftsporttraining zu etwas gut sein muss.
Mein Körper fühlt sich jetzt warm und schwer an. Im Sommer, heißt es, wolle die Letzte Generation „den festen Griff etwas lockern“. Die von einer höheren Instanz Erwählten und durch tiefere Einsicht Ermächtigten lassen sich herbei, die Stadt für einige Wochen weniger hart zu bestrafen, als die es nötig und verdient hätte. Einer Minderheit, aber doch überraschend vielen Bürgern würde der Gesellschaftsgeißelungsservice fehlen. Jedenfalls leiern sie die Formel vom „zivilen Ungehorsam“, als handele es sich um eine Generalpardonklausel aus dem Strafgesetzbuch. Lediglich in Pankow und Mitte, las ich, überlege man, ob Klima-Kleber die bei ihrer Loslösung aus dem Gesamtzusammenhang entstandenen Schäden begleichen müssen. Wer denn sonst?
Kolumnist: Die Blockaden sind Nötigungen
Allen Ernstes wird debattiert, ob es sich überhaupt um Kriminalität handele. Per definitionem handelt kriminell, wer Straftaten begeht. Die Blockaden sind Nötigungen, bisweilen Sachbeschädigungen und schwere Eingriffe in den Straßenverkehr. Es ist zwar en vogue, objektiv das sein zu wollen, als was man sich gerade fühlt, zum Beispiel Retter der Welt. Und weniger modern ist, Sachverhalte sachlich zu betrachten. Doch spätestens Wiederholungstäter reifen nun mal zu Kriminellen. Das ist keine moralische Bewertung, sondern eine Rechtsfolge.
Selbstredend war auch Robin Hood kriminell. Ein Feudalstaat, der sich selbst für voll nahm, musste das fesche Federhütchen durch den Forest scheuchen. Hätte der Sheriff von Nottingham dies unterlassen, wäre der Rächer der Enterbten ein Niemand geblieben, und es gäbe keine Abenteuerfilme, die in Mittelengland spielten. Dass Klima-Kleber jüngst von Spezialeinsatzkräften geweckt wurden, wirkt übermotiviert, könnte aber immerhin dafür sorgen, dass kommende Generationen in der Legende von Carla Hinrichs schwelgen.


