70 Minuten lang schilderte die neue italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Dienstag in der Abgeordnetenkammer, wie sie das Land regieren will. Am Abend gewann sie dann erwartungsgemäß die erste von zwei Vertrauensabstimmungen deutlich, die sie benötigt, um mit ihrer Koalition das Land zu regieren.
Am Mittwoch stellte sich Meloni der Vertrauensabstimmung in der kleineren Kammer des italienischen Parlaments, dem Senat. Auch dort erhielt sie die nötige absolute Mehrheit der Stimmen.
Euroatlantisch, wirtschaftsliberal, wertkonservativ – so lässt sich die von Meloni skizzierte politische Linie zusammenfassen.
Gleich zu Anfang ihrer Rede stand daher erwartungsgemäß das Signal an Europa und USA, dass Italien weiterhin ein zuverlässiger Partner sein werde. In der EU, die Meloni als „gemeinsames Haus europäischer Völker“ bezeichnete, werde Italien „konstruktiv“ und „nicht unterwürfig“ agieren. Im Ukraine-Krieg werde Italien fest an der Seite Kiews jegliche „Erpressung durch Putin“ in der Energiepolitik entschieden ablehnen: „Wer glaubt, man könne die Freiheit der Ukraine gegen unseren Seelenfrieden eintauschen, der irrt“, so Meloni.
Auch wirtschaftspolitisch kündigte sie Kontinuität mit der vorherigen Regierung unter Mario Draghi an: Wachstum soll das Land aus der hohen Verschuldung von 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts herausholen, Italien soll attraktiver für Investoren werden, Steuersenkungen für Unternehmen – auch ausländische – stellte sie in Aussicht. Innenpolitisch soll die „illegale Migration“ gestoppt werden – durch bilaterale Abkommen mit den Regierungen der Herkunftsländer sowie die Errichtung sogenannter Hotspots außerhalb Europas zur Überprüfung des Rechts auf Asyl.
Giorgia Meloni hatte mit einer Rechtsallianz aus Matteo Salvinis Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia die Parlamentswahl am 25. September gewonnen, vergangene Woche wurde sie von Staatspräsident Sergio Mattarella als erste Regierungschefin des Landes vereidigt.
Giorgia Meloni: „Keine Sympathie für faschistisches Regime“
Erwartungsgemäß wies die neue Regierungschefin jegliche Nähe zum Faschismus zurück: „Ich habe nie Sympathie für oder eine Nähe zu antidemokratischen Regimen gehabt. Für kein Regime, den Faschismus eingeschlossen“, so Meloni, die damit in Worten wiederholte, was der Chef ihrer Vorgängerpartei, Gianfranco Fini, bereits 2003 erklärt hatte.
Das klingt nicht nach einem radikalen Rechtsruck, den viele internationale Beobachter von dieser Regierung erwartet hatten. Interessanter wurde Melonis Rede, als es um ihre politische Herkunft ging: Die italienische Ministerpräsidentin bezeichnete sich als „Underdog der Politik“, einen Außenseiter, der alle Prognosen auf den Kopf stellen werde. Was meinte sie damit?
Hinweise gab sie im Bezug darauf, wie sie die italienische Verfassung in Richtung Präsidialsystem reformieren will. Die Reform ist das Kernstück des ideologischen Projekts ihrer Partei, den Fratelli d’Italia: Damit soll erreicht werden, dass eine Verfassung, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Widerstand gegen den Nazifaschismus entstand und in der die Institutionen als Schutzwall gegen jede autoritäre Versuchung betrachtet werden, grundlegend überholt wird.
Ein Präsidialsystem nach Vorstellung von Meloni und ihrer Partei soll vielmehr die direkte Beziehung zwischen der Macht und dem Volk ermöglichen. Damit soll der Populismus – so die Theorie – in der Verfassung verankert werden. Sollte eine Regierung unter ihrer Führung damit erfolgreich sein, würde Meloni in der Tat die italienische Demokratie nachhaltig verändern.



