Kommentar

Herr Bundespräsident: Machen Sie sich ehrlich in Kiew!

Frank-Walter Steinmeier ist endlich in die Ukraine gereist. Er schuldet den vom Krieg gebeutelten Bürgerinnen und Bürgern einige sehr ehrliche Worte.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M.) spricht mit Ratan Achmedow, Bürgermeister der Stadt Korjukiwka – in diesem Moment ertönt Luftalarm, und Sicherheitskräfte weisen den Weg in den Luftschutzbunker.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M.) spricht mit Ratan Achmedow, Bürgermeister der Stadt Korjukiwka – in diesem Moment ertönt Luftalarm, und Sicherheitskräfte weisen den Weg in den Luftschutzbunker.dpa/Michael Kappeler

Jetzt also endlich: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es doch noch in die Ukraine geschafft. Sein Besuch hatte schon im Frühjahr stattfinden sollen, aber da hat ihn die ukrainische Regierung ziemlich unverblümt ausgeladen. Dieser diplomatische Affront mag ein Fehler der Ukraine gewesen sein, aber er warf gleichzeitig ein helles Licht auf die gescheiterte deutsche Außenpolitik gegenüber Russland in den vergangenen Jahren. Sie ist – nicht nur, aber vor allem – mit dem Namen von Frank-Walter Steinmeier verbunden.

Steinmeier ist der unbeliebteste deutsche Politiker in der Ukraine

Er strebte als Außenminister eine neue Ostpolitik gegenüber Russland an und war deshalb auch bereit, die Interessen der Ukraine zugunsten Russlands hintanzustellen. Man kann sich das hierzulande vielleicht nur schwer vorstellen, aber Steinmeier ist der unbeliebteste deutsche Politiker in der Ukraine. Man wird ihn das bei seinem Besuch nicht spüren lassen, aus diplomatischer Höflichkeit und vielleicht auch, weil in Berlin ja gerade die große Wiederaufbaukonferenz läuft. Für die Ukraine sollen Milliarden bereitgestellt werden.

Doch wenn dieser Besuch irgendeinen Sinn jenseits von ein bisschen Symbolik haben soll, dann ist Steinmeier jetzt am Zug. Er muss spätestens bei seinem Zusammentreffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstagabend genau das tun, was er sonst gerne vermeidet: Er muss Klartext sprechen. Klartext über die gescheiterte Politik seiner Partei gegenüber Russland – und seine eigene Rolle dabei.

Als Bundespräsident kann er keine Waffenlieferungen versprechen oder andere konkrete Hilfszusagen machen. Ihm bleibt als Mittel der Politik nur das Wort. Wenn er bei der „Wir stehen an Eurer Seite“-Rhetorik bleibt, mit der er im Morgengrauen in Kiew seinen Besuch begonnen hat, dann wäre das in etwa so, wie wenn Olaf Scholz nach seinem Besuch noch mal 5000 Helme versprochen hätte: zu wenig!