Stichwahl Sonneberg

Heimatliebe und Abschiebungen: Wofür der neue AfD-Landrat Robert Sesselmann steht

Sonneberg ist der erste deutsche Landkreis, der von der AfD regiert wird. Von einem unscheinbaren Mann, der Wahlversprechen mit Bratwurstgutscheinen mischte.

Sonnebergs Landrat, Robert Sesselmann. 
Sonnebergs Landrat, Robert Sesselmann. Ferdinand Merzbach/AFP

Deutschland ist ein Marionettenstaat der USA. Deutsche werden hier wie Bürger zweiter Klasse behandelt, vor allem Rentner. Flüchtlinge sollten nur noch Sachleistungen bekommen, kriminelle und abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden. Deutschland ist kein Weltsozialamt.

Deutschland muss raus aus dem Euro. Die Deutschen aus dem Rundfunkbeitrag. Klimawandel ist Panikmache. Deutschland braucht keine Windkraftanlagen. Deutschland muss sich für Friedensverhandlungen mit Russland einsetzen und gegen Sanktionen. Schluss mit der linksgrünen Verbotspolitik.

Für all das steht Robert Sesselmann. Und der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit – bei der Online-Anmeldung bitte „Paßwort“ eingeben – sagte er auch noch das hier: „Es ist kein Fall bekannt, daß ein Politiker der Thüringer AfD sich wegen extremistischer Straftaten strafbar gemacht haben soll.“ Daher: „Sonneberg muß Vorbild für Deutschland werden.“

In Sonneberg, dem kleinsten Landkreis in Thüringen, dem zweitkleinsten in Deutschland, hat der AfD-Kandidat Sesselmann 14.992 von 48.229 möglichen Wahlberechtigten von sich und seinen Vorstellungen überzeugt. Macht 52,8 Prozent aller Stimmen. Ergibt eine Politik, die vieles rückgängig machen will, nicht nur die Rechtschreibreform. Wobei ein Landrat sich mehr um Straßen, Schulen und die Abfallentsorgung kümmern sollte und weniger um Kriegsgeschehen, Grenzschutz oder Energiepolitik. Und in der Summe aller Eindrücke vom vergangenen Wahlsonntag ist das schon ein historischer Tag. Stichworte: Dammbruch, Beben, Brandmauer.

Sesselmann, 50, gebürtiger Sonneberger, Rechtsanwalt, Vater dreier Kinder, ist seit 2016 in der AfD und seit 2019 ein unscheinbarer Hinterbänkler im Thüringer Landtag. Er hat ein paar harte Wochen hinter sich. „Gestalten statt verwalten“ stand auf seinen Wahlplakaten, „Heimatliebe“ auf seinem Wahlkampfbus, der vor jeder Milchkanne im Landkreis haltmachte.

Und heraus kam ein stets gut gelaunter und um Bodenständigkeit bemühter Mann mit kurzärmeligen oder karierten Hemden, der Flyer und Bratwurstgutscheine verteilte, aber keinem Medium ein Interview geben wollte, das „dass“ und nicht „daß“ schreibt. Kurz vor der Stichwahl wurde bekannt, dass Sesselmann einen Mann, der Wahlplakate anbrachte, bedroht und beschimpft haben soll. Die Polizei ermittelt.

Die Wahlkampfparty fand im Sonneberger Restaurant Frankenbaude statt, und natürlich kamen nicht nur der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla und der Fraktionsvorsitzende der rechtsextremen AfD Thüringen Björn Höcke vorbei. Sondern auch der als „Der Volkslehrer“ bekannte Holocaustleugner Nikolai Nerling. Sesselmann kündigte an, eine Politik über ideologische Grenzen hinweg betreiben zu wollen.