Am kommenden Wochenende treffen sich die Grünen zu einem kleinen Bundesparteitag in Bad Vilbel bei Frankfurt (Main), dem sogenannten Länderrat. Dort wird es mit Sicherheit zu einer Diskussion über die Zustimmung der Bundesregierung zum europäischen Asylkompromiss kommen.
Die Grünen sind sich nämlich uneins in der Frage – bis hinauf zur Parteispitze. Während Parteichefin Ricarda Lang erklärt hat, dass die Regierung dem Beschluss nicht hätte zustimmen dürfen, verteidigt ihr Co-Vorsitzender Omid Nouripour die Vorgehensweise.
Vermutlich wird der Länderrat am Sonnabend erst der Auftakt für eine längere Auseinandersetzung sein – und das in größerem Format. Mit Friedrichshain-Kreuzberg hat sich der erste Kreisverband für einen Sonderparteitag der Partei ausgesprochen und einen entsprechenden Beschluss verabschiedet. Zuvor hatte das bereits der Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin ins Spiel gebracht.
Berliner Kreisverband befürchtet, Mitglieder zu verlieren
Der Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg begründet den Beschluss für einen Sonderparteitag damit, dass die in der vergangenen Woche beschlossenen Pläne für das Gemeinsame Europäische Asylsystem im Widerspruch zum Koalitionsvertrag, zum Grundsatzprogramm der Partei und zu Beschlüssen der Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) im vergangenen Jahr stehe. „Als 2018 Kinder an der US-mexikanischen Grenze inhaftiert wurden, hat uns das zu Recht erschüttert“, schreibt der Kreisverband auf seiner Webseite. „Sind wir nun bereit, ähnliche Szenarien an den europäischen Außengrenzen zu akzeptieren?“
Laut dem jüngsten EU-Beschluss sollen Menschen aus als sicher eingestuften Ländern künftig nach dem Grenzübertritt in Lagern festgehalten werden, bis ihr Anspruch auf Asyl geklärt ist. Das gilt auch für Familien mit Kindern. Angestrebt wird ein deutlich schnelleres Verfahren, das maximal zwölf Wochen dauern soll. Werden die Betroffenen abgelehnt, sollen sie unmittelbar abgeschoben werden.
Der Sonderparteitag – bei den Grünen heißt das Bundesdelegiertenkonferenz – soll, wenn er denn zustande kommt, eine „geordnete Debatte“ ermöglichen und so verhindern, dass die Entscheidung der vergangenen Woche die Partei spaltet. Viele Mitglieder kämen mit der Asylentscheid auf europäischer Ebene „an die Grenze dessen, was sie bereit sind, politisch mitzutragen“, heißt es in dem Beschluss weiter. Man befürchte, Mitglieder zu verlieren.
„Es rumort schon gewaltig an der Basis“, sagte Philip Hiersemenzel, Vorstandsmitglied des Kreisverbandes, der Berliner Zeitung am Donnerstag. Es habe in den vergangenen Monaten einfach zu viele schmerzliche Kompromisse gegeben. „Uns ist natürlich total klar, dass Regierungspolitik kein Wunschkonzert ist“, so Hiersemenzel weiter, „aber es kann nicht sein, dass wir dabei eine totale Kehrtwende unserer Politik vornehmen.“
Grüne Jugend will grundsätzliche Kurskorrektur der Bundesregierung durchsetzen
Der Berliner Kreisverband ist mit seiner Forderung nicht allein. Längst haben sich weitere Kreisverbände angeschlossen. Es gibt eine eigene Webseite, auf der die Beschlüsse gesammelt werden. Dort findet sich ein Beschluss des Kreisverbandes Cloppenburg, der bereits Anfang April verabschiedet wurde. Darin geht es allerdings nicht um den Asylkompromiss, sondern allgemein um die Politik der Ampel. Der Berliner Kreisverband knüpft nun an diese Forderung aus Cloppenburg explizit an. Um einen Sonderparteitag durchzusetzen, müssen mindestens 42 Kreisverbände dafür votieren oder drei Landesverbände oder ein Drittel der Mitglieder.




