Brandenburg

Turnhalle für Flüchtlinge räumen? In Brandenburg wehren sich Schüler

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. In Fürstenwalde kämpfen Schüler um ihre Turnhalle. Der Bürgermeister hat noch eine andere Idee.

Schulsporthallen (Symbolbild) werden in Teilen Deutschlands schon wieder als Notunterkünfte für Flüchtlinge genutzt.
Schulsporthallen (Symbolbild) werden in Teilen Deutschlands schon wieder als Notunterkünfte für Flüchtlinge genutzt.viennaslide/imago

Die Information ging im Klassenchat herum, sagt Skadi Jerominek. Zum Glück lesen einige ihrer Mitschüler die Zeitung. Dort hatten sie die Meldung entdeckt, dass die Schule ihre Turnhalle verlieren sollte. Das kann nicht sein, dachte Skadi Jerominek, als sie es las, an einem Sonntagabend.

In der Turnhalle sollen Flüchtlinge untergebracht werden, hieß es, weil der Landkreis Oder-Spree in Brandenburg sonst keinen Platz mehr für sie finde. Außer in der Halle an Jeromineks Schule, dem Oberstufenzentrum Oder-Spree in Fürstenwalde/Spree. Der Landkreis steht vor dem gleichen Problem, das viele Kommunen in Deutschland derzeit haben: Immer mehr Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge kommen. Wo soll man sie unterbringen? Welche öffentlichen Einrichtungen kann man zu Notunterkünften machen? Auch anderswo werden schon wieder Schulturnhallen belegt.

Ihre Schule ist das größte Oberstufenzentrum in Brandenburg, sagt Skadi Jerominek, die hier Schülersprecherin ist. 3000 Jugendliche lernen hier für ihre Berufsausbildung oder das Abitur, so wie Jerominek. Sie sagt, im Chat seien danach „viele Fragen rumgegangen“, die Schüler wollten einen festen Beschluss des Landkreises sehen, der Ärger wuchs. Vor allem, weil wegen Corona schon so viel Sportunterricht ausgefallen war. Danach hätten Schüler auch gesundheitliche Probleme bekommen, sagt Skandi Jerominek. „Sport ist unsere einzige Abwechslung zum Sitzen im Unterricht.“

„Unsere Demo richtet sich nicht gegen Flüchtlinge“

Die Schüler beschlossen, eine Demonstration anzumelden. „Die erste Demo in meinem Leben“, sagt Jerominek. Sie ist 18. Am Montagvormittag, dem ersten Tag der letzten Schulwoche im Jahr, zogen 150 Schülerinnen und Schüler durch Fürstenwalde. Auf Plakaten forderten sie „mehr Mitbestimmung“, aber auch: „Flüchtlinge und Schüler brauchen faire Bedingungen“. Skadi Jerominek sagt, schon bei der Planung der Demo seien die Schüler sich einig gewesen, dass ihr Kampf um die Turnhalle „nicht in einen politischen Zusammenhang gebracht“ werden soll. Sie wollen sich nicht vereinnahmen lassen: „Unsere Demo richtete sich nicht gegen Flüchtlinge.“

Axel Schmook, der Direktor der Schule, sagt, dass er auf der Seite der Schüler stehe. Auch wenn er sie vor der Demo darauf hingewiesen habe, dass Schulpflicht herrsche. „Aber sie haben an diesem Tag draußen vielleicht mehr gelernt als in der Schule.“ Auch Schmook ärgert es, dass die Schule die Halle verlieren soll. Er muss den Unterreicht für den Herbst planen, im Moment wisse er nicht, wo und wie er Sportstunden anbieten soll.

„Gucken, dass wir nicht an unsere Grenzen geraten“

Der Bürgermeister von Fürstenwalde/Spree, Matthias Rudolph, steht ebenfalls an der Seite der Schüler. Er hat dem Landkreis Oder-Spree vorgeschlagen, eine andere Halle zu nutzen: die Tennishalle, die der Stadt gehört, und die Rudolph ein Überbleibsel des Tennis-Booms der 90er-Jahre nennt. Schon 2022, nach Beginn der großen Fluchtwelle aus der Ukraine, habe die Stadt dort 50 Kriegsflüchtlinge für einige Wochen untergebracht. „Wir bekommen da auch 100 Menschen unter“, sagt Rudolph. Um diese Zahl an Flüchtlingen gehe es aktuell. Vertreter des Landkreises hatten die Tennishalle im vergangenen Jahr besichtigt und nicht beanstandet.

Auch wenn im Herbst und Winter dann einige Tennisspieler unglücklich seien – man könne damit den Sportunterricht der 3000 Schüler retten. Rudolph sagt, dass es aber langsam eng mit den Plätzen für Flüchtlinge werde, Gemeinschaftseinrichtungen werden bereits erweitert, andere wieder in Betrieb genommen. „So langsam müssen wir gucken, dass wir nicht an unsere Grenzen geraten“, sagt der Bürgermeister.

Ob der Landkreis auf seinen Vorschlag eingeht und die Tennishalle statt der Schulturnhalle zur Notunterkunft macht, hofft er am Donnerstag zu erfahren. Eine Anfrage der Berliner Zeitung beantwortete die Sozialdezernentin des Landkreises am Mittwoch nicht.

Skadi Jerominek sagt, dass sie und ihre Mitschüler weiter um ihre Turnhalle kämpfen werden. Auch wenn jetzt Ferien seien, „wir hören definitiv nicht auf“.