Berliner Senat

Flüchtlinge: Berlins neue Arbeitssenatorin rügt den Bund – und besonders einen Bezirk

Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe gibt sich mit 50 Millionen Euro vom Bund nicht zufrieden. Daher startet bald eine Taskforce zur Unterbringung von Flüchtlingen. 

Die neue Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe
Die neue Arbeitssenatorin Cansel KiziltepeMonika Skolimowska/dpa

Fehlende Unterkünfte, kaum Schulplätze für Geflüchtete – und zu wenig Geld vom Bund. Die Flüchtlingslage in Berlin spitzt sich zu. In diesem Jahr werden etwa 10.000 bis 12.000 Menschen in die Stadt kommen, sagte am Dienstag die Senatorin für Arbeit, Soziales und Integration, Cansel Kiziltepe (SPD). Daher müsse reagiert werden.

Die SPD-Politikerin sagte bei ihrer ersten Senatspressekonferenz, dass der schwarz-rote Senat die bereits angekündigte Taskforce zur Versorgung von Flüchtlingen in Berlin möglichst bald an den Start bringen wolle. Bei der Senatssitzung am nächsten Dienstag soll es laut Kiziltepe eine entsprechende Beschlussvorlage dazu geben.

Federführend werden sie und der Regierende Bürgermeister, Kai Wegner, sein, aber auch andere Ressorts werden herangezogen, etwa die für Stadtentwicklung und Bauen und die für Bildung. Die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten seien „als Querschnittsaufgabe“ zu sehen, sagte Kiziltepe und fügte hinzu: „Mein Haus und insbesondere das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten übernimmt derzeit auch Aufgaben, die eigentlich in der Verantwortung anderer Ressorts stehen.“

Geplant ist, zuallererst Gespräche mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Bezirke zu führen. Dabei geht es auch um eine gleichmäßige Verteilung der Geflüchteten in Berlin, auch festgehalten im Koalitionsvertrag. Wenn jeder Bezirk rechnerisch 1000 Geflüchtete aufnähme, wäre man schon weiter. Es sei aber so, das sich einige Bezirke mehr engagierten als andere, sagte Kiziltepe.

Kiziltepe: Jeder Bezirk muss seine Verantwortung wahrnehmen

Auf Nachfrage musste sie zugeben, dass sie sich von ihrem eigenen Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg mehr Engagement erhoffe. Doch auch andere Bezirke sind, wenn es um die Unterbringung Geflüchteter geht, gespalten. In Pankow wächst gerade der Widerstand gegen den Bau von Hofhäusern für 422 Geflüchtete auf einer Wiese. Kiziltepe wies mit Nachdruck darauf hin, dass jeder Bezirk seine Verantwortung wahrnehmen müsse.

Im Schnitt kommen jede Woche 436 Asylsuchende und zusätzlich 2000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in die Stadt, heißt es von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Es gibt 32.000 Unterkunftsplätze, 98,5 Prozent sind belegt. Im August werde das Ankunftszentrum in Tegel restlos voll sein, warnt das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) seit längerem.

Genau wie Berliner finden Geflüchtete keine Wohnungen. Stattdessen landen sie in Hostels, in Obdachlosenunterkünften oder riesigen Zeltanlagen auf den Flughafengeländen in Tegel und Tempelhof. Das Ankunftszentrum in Tegel soll, so Kiziltepe am Dienstag, bis Ende des Jahres bestehen bleiben, „aber wir gehen davon aus, dass das auch hinein ins nächste Jahr geht“, sagte sie. Ursprünglich sollte in Tegel Ende September Schluss sein.

Es werde daran gearbeitet, dass Geflüchtete dort nicht mehr monatelang verweilen müssten. „Es ist nicht unser Ziel, Menschen dort über eine längere Zeit unterbringen zu müssen“, sagte Kiziltepe. Aber es gehe leider aktuell nicht anders. „Vorgesehen war ursprünglich, dass wir die Menschen dort für einige Tage haben. Jetzt sind sie im Schnitt vier Monate da.“

Neben den Unterkünften machen auch die schulischen Angebote Sorgen. Aktuell können rund 1600 geflüchtete Kinder keine Schule besuchen, weil es keine Plätze für sie gebe, sagte Kiziltepe. Dafür müssten Neubauprojekte in modularer Bauweise geplant werden, inklusive sozialer Infrastruktur.

Im Juni tagen die Ministerpräsidenten erneut

Doch all das kostet Geld und daher ist die Verärgerung in der schwarz-roten Regierung über den vergangenen Flüchtlingsgipfel immer noch groß. Denn der Bund wollte den 16 Ländern gar nichts mehr an Unterstützung zahlen. In den mehrstündigen Beratungen einigte man sich schließlich auf eine Milliarde Euro für alle 16 Bundesländer. Der Anteil für Berlin läge nach dem Königsteiner Schlüssel bei etwa 50 Millionen Euro, sagte Kiziltepe am Dienstag. Das sei nach wie vor „ein Tropfen auf dem heißen Stein“ – vor allem bei den jährlichen Kosten von 940 Millionen Euro. Bislang hatte der Bund davon etwa 213 Millionen Euro übernommen, also etwa ein Viertel. 2015 beteiligte sich der Bund an den Flüchtlingskosten mit rund 35 Prozent.

Das Einzige, das sie beruhige, sei, dass in dem MPK-Beschluss festgehalten worden sei, dass der Bund eine finanzielle Unterstützung der Länder als dauerhafte Aufgabe sehe. Die SPD-Senatorin weiter: „Und dort wurde auch festgehalten, dass man sich an diesen dynamischen Entwicklungen auch dynamisch beteiligen wird. Das bedeutet, wenn die Flüchtlingszahlen steigen, steigt auch der Anteil des Bundes.“

Im Juni ist die nächste Ministerpräsidentenkonferenz. Die Länder, mittendrin Berlin, werden dann wieder mehr Geld vom Bund fordern. Denn nach derzeitigem Stand sei die Herausforderung nicht zu stemmen, so Kiziltepe.