In den vergangenen Tagen wurde der Welt-Gastbeitrag des Tech-Milliardärs Elon Musk kontrovers diskutiert, in dem er seine Ansicht schildert, warum nur die AfD Deutschland retten könne. Der Text wurde mit einer Gegenrede des neuen Welt-Chefredakteurs Jan Philipp Burgard veröffentlicht. Lange wurde spekuliert, wie der Gastbeitrag entstanden ist. Es gab Vermutungen, dass vielleicht Welt-Verleger Mathias Döpfner den Tech-Milliardär angeschrieben und um den Text gebeten hat. Doch nun zeigt sich, dass es wohl anders kam. „Martin Varsavsky, Mitglied im Aufsichtsrat von Axel Springer, will die Sache eingefädelt haben“, schreibt Marvin Schade von Medieninsider. Tatsächlich hat sich Varsavsky bei X zu Wort gemeldet.
Er schrieb: „Der Meinungsartikel von Elon Musk in der Welt, in dem er seine Unterstützung für die AfD erklärt, hat eine breite Debatte ausgelöst. Ich sehe viele Spekulationen darüber, wie dieser Artikel zustande kam, also lassen Sie mich alles erklären. Als Freund von Elon und Aufsichtsratsmitglied von Axel Springer sah ich seine öffentliche Unterstützung für die AfD bei X als Gelegenheit für ihn, seine Ansichten in einer durchdachten und detaillierten Weise zu erläutern. Ich wandte mich an Jennifer Wilton, die Chefredakteurin von Die Welt, um zu erfahren, ob sie Interesse an einem Leitartikel von Elon zu diesem Thema hat. Nach reiflicher Überlegung stimmte sie zu, dass ein solcher Artikel von großem Nachrichtenwert und einer Veröffentlichung würdig wäre. Daraufhin wandte ich mich an Elon und erläuterte ihm die potenzielle Bedeutung dieser Gelegenheit, seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Ihm gefiel die Idee, er schrieb den Artikel – und Die Welt veröffentlichte ihn.“ Nach 15 Uhr deutscher Zeit hat Elon Musk die Theorie auf X bestätigt. Er schrieb unter Varsavskys Post: „True!“
True! https://t.co/lyv0kPXJvC
— Elon Musk (@elonmusk) January 2, 2025
Musk hat außerdem Vasavskys englische Übersetzung des Welt-Artikels gepostet.
English version of the article (Die Welt translated it into German) https://t.co/2sC8ISpswp
— Elon Musk (@elonmusk) January 2, 2025
Nun hat der zukünftige Vizepräsident JD Vance den Beitrag von Elon Musk auf X kommentiert und auf die Übersetzung des Welt-Artikels hingewiesen. JD Vance schrieb auf X: „Ich unterstütze keine Partei bei den deutschen Wahlen, denn es ist nicht mein Land, und wir hoffen, dass wir gute Beziehungen zu allen Deutschen haben werden. Aber dies ist ein interessanter Artikel (Musks Text in der Welt, Anm. d. Red.). Interessant ist auch, dass die amerikanischen Medien die AfD als ‚Nazi light‘ verleumden. Aber die AfD ist in denselben Gebieten Deutschlands am beliebtesten, die den Nazis am meisten Widerstand entgegensetzten.“
„AfD is most popular in the same areas of Germany that were most resistant to the Nazis“.
— Thorsten Benner (@thorstenbenner) January 2, 2025
When you come to @MunSecConf in February fancy an excursion to AfD stronghold Thuringia? Not quite the across board hotbed of resistance almost a century ago. https://t.co/QxKPSsaXL6 pic.twitter.com/9EKDTA7kxq
Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin, widerspricht dem Post. In X verweist er auf eine Studie von Martin Debes, eines Politologen, der darauf hinweist, dass in Thüringen, wo die NSDAP vor 1945 besonders gut abgeschnitten hat, heute auch die AfD große Erfolge feiert.
Der Berliner Politiker Marcel Luthe schreibt wiederum: „Ich habe Ihr Buch und Ihren Auftritt im Präsidentschaftswahlkampf geliebt, aber hier leiden Sie unter einem schweren Informationsmangel. AfD ist sicherlich keine Partei im Stil der Nazis, aber auch keine liberale, marktfreundliche Partei. Sie ist recht vielfältig und meist konservativ wie in den 1950er Jahren (...).“
Tom Nuttall vom Economist widerspricht ebenso JD Vances Post so wie Thorsten Benner. Er schreibt: „Ich würde gerne wissen, woher Vance seine Informationen hat, denn seine zweite Behauptung ist eher das Gegenteil der Wahrheit. Eine neue Studie findet eine unangenehme Überschneidung zwischen den Teilen Deutschlands, ‚die die AfD unterstützen, und denen, die 1933 für die Nazis gestimmt haben.‘“
Would love to know where Vance is getting his info, because his second claim is closer to the opposite of the truth.
— Tom Nuttall (@tom_nuttall) January 2, 2025
"A new paper finds an uncomfortable overlap between the parts of Germany that support the AfD and those that voted for the Nazis in 1933"https://t.co/QwHfK1YyyZ https://t.co/xbw7x7Gfcn
Was Jan Philipp Burgard sagt
Am 1. Januar 2025 hat Jan Philipp Burgard der FAZ ein Interview gegeben. Er verteidigte den Gastbeitrag von Musk und sagte gegenüber den Kritikern: „Als der Milliardär George Soros im Europawahlkampf 2019 eine Wahlempfehlung für die Grünen veröffentlicht hat, sah Robert Habeck darin kein Problem. Und wenn jetzt der Generalsekretär der SPD, Matthias Miersch, sagt, der Gastbeitrag von Musk sei ‚gefährlich und beschämend‘, dann kann ich nur warnen: Gefährlich wird es, wenn ein Spitzenpolitiker definieren will, welche Meinung eine Zeitung drucken darf und welche nicht. Wo war der Aufschrei des SPD-Generalsekretärs, als die ‚Zeit‘ im Jahr 2021, also bereits nach der Annektierung der Krim, einen Gastbeitrag von Wladimir Putin gedruckt hat – übrigens ohne jede kritische Erwiderung? Und hat Matthias Miersch schon vergessen, dass Bundeskanzler Scholz 2022 in einem Gastbeitrag in ‚Le Monde‘ unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl den Franzosen empfohlen hat, für Emmanuel Macron zu votieren? Diese Doppelmoral empfinde ich als unerträglich.“
Der Chefredakteur setzt sich in dem Interview eindeutig für Meinungsfreiheit ein. Er sagt, dass Journalisten keine Aktivisten seien und die Meinungsbildung in Deutschland eng begleiten müssten, auch wenn eine in der Öffentlichkeit vertretene Meinung nicht ihre persönliche Meinung sei: „(U)nsere Aufgabe als Journalisten ist es, Meinungen abzubilden, auch solche, die nicht unseren eigenen und nicht unseren Werten entsprechen. So haben wir in der ‚Welt‘ einen Gastbeitrag des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek gedruckt, der sich offen zum Kommunismus bekennt. Wir hatten Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi als Gastautoren. Wir wollen Debatten anstoßen, wir stehen für Klartext, Kontext, Meinungsfreiheit.“ Weiter sagte er: „Ich beobachte eine Verengung des Diskurses auch vieler Medien in Deutschland. Das halte ich für besorgniserregend. Aber es gibt ja zum Glück andere Stimmen wie die der ‚Wirtschaftsweisen‘ Veronika Grimm. Sie hat die durch den Musk-Beitrag ausgelöste Debatte bei Ihnen in der F.A.Z. ausdrücklich begrüßt. Es bringe nichts, die Diskussion über die AfD und ihre Themen zu unterdrücken. Dem kann ich nur zustimmen.“
Die Frage, wie der Beitrag entstanden ist, wollte der Chefredakteur hingegen nicht beantworten. Er sagte: „Unsere Gastautoren haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Genese ihres Beitrags der Vertraulichkeit unterliegt. Das hält die F.A.Z. mit ihren ‚Fremden Federn‘ doch wahrscheinlich genauso.“ Das Interview wurde vor Musks X-Post zur Entstehungsgeschichte des Welt-Beitrags geführt.
Reaktionen der Berliner Zeitung
Die Berliner Zeitung hat sich an der Musk-Debatte beteiligt. Moritz Eichhorn, Co-Chefredakteur, hat einen Kommentar veröffentlicht, der darlegt, warum viele kritische Reaktionen auf den Musk-Beitrag in der Welt eine Doppelmoral etablierter Medien und Politiker offenlegen.
Exzellent 🏆 https://t.co/PPybzB8BT2
— Ulf Poschardt (@ulfposh) December 31, 2024
Zudem hat der Medienanwalt Joachim Steinhöfel einen Gastbeitrag verfasst, in dem er erklärt, warum viele Menschen in Deutschland das vom Grundgesetz geschützte Recht auf Meinungsfreiheit missverstehen. Ulf Poschardt, der seit Januar 2025 als Herausgeber der Welt fungiert, hat sich auf X über beide Texte positiv geäußert.
…ökonomische Erfolg des Unternehmens groß ist.“@Steinhoefel immer für eine überraschende Pointe gut.
— Ulf Poschardt (@ulfposh) December 31, 2024
Sensationell richtiger Text.
Es gab viel Kritik an dem AfD-Gastbeitrag von Elon Musk. Aber auch Lob wurde veröffentlicht, zum Teil von unerwarteter Seite. Der Großbritannien-Korrespondent der Zeit, Jochen Bittner, schrieb etwa auf X, dass die scharfe Kritik an Springers Die Welt für das Abdrucken des Musk-Gastbeitrags zwar ebenso von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, aber übersehe, welche gesellschaftlichen Konsequenzen die moralisch grundierte Verengung des Diskursraumes nach sich ziehen würde, bei aller berechtigten Kritik an der AfD. Die Meinungsfreiheit müsse nicht nur durch den Staat geschützt, sondern auch von Journalisten aktiv verteidigt werden, so der implizite Hinweis. Die Meinungsfreiheit unterliege aktuell Beschränkungen, die vor allem diskursiver Natur seien.
Bittner schrieb auf X: „Zu glauben, die Meinungsfreiheit könne nur durch den Staat oder durch Gesetze beschränkt werden, ist falsch. Ihre Reichweite hängt auch von Konventionen ab, von ungeschriebenen Regeln des Akzeptablen, von den sozialen und reputativen Kosten, mit denen bestimmte Äußerungen belegt werden. Und genau das ist ein trauriger Grund dafür, warum Musk & Trump und die AfD Erfolge feiern. Das vermeintlich progressive Milieu ist in den vergangenen Jahren immer autoritärer geworden und hat – in allerbester, weltenretterischer Absicht – den Debattenraum verengt, in Redaktionen, Parteien, Universitäten. Beispiele sind die Migrations-, die Corona-, die Klima- oder die Transdebatte, in denen Andersdenke allzu oft und allzu arrogant verteufelt wurden, statt sie argumentativ zu zerlegen. Die klassisch-liberalen Kräfte haben dieser Entwicklung viel zu wenig entgegengesetzt. Deswegen kommt jetzt der Backlash der Anti-Establishment-Hitzköpfe. Und der kann hässlich werden. Glückwunsch an uns alle.“
Juristisch richtig — aber am eigentlichen Problem m.E. vorbeigedacht.
— Jochen Bittner (@JochenBittner) December 30, 2024
Zu glauben, die Meinungsfreiheit könne nur durch den Staat oder durch Gesetze beschränkt werden, ist falsch. Ihre Reichweite hängt auch von Konventionen ab, von ungeschriebenen Regeln des Akzeptablen, von den…
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