Klimaproteste

Eine Zwölfjährige beteiligt sich an der A100-Blockade

Lilli kommt aus Oldenburg, um sich bei den Klimaschutzprotesten in Berlin auf die Autobahn zu setzen. Die Zwölfjährige habe das so entschieden, sagt die Mutter.

Tochter Lilli und Mutter Lena Schiller.  Die Zwölfjährige wollte zu den Autobahnprotesten nach Berlin.
Tochter Lilli und Mutter Lena Schiller. Die Zwölfjährige wollte zu den Autobahnprotesten nach Berlin.Berliner Zeitung/Markus Wächter

„Ich stehe hinter den Entscheidungen meiner Tochter“, sagt die 42-jährige Mutter Lena Schiller aus Oldenburg. Sie hat ihre zwölfjährige Tochter Lilli in die Hauptstadt begleitet und sich während der Blockade der Abzweigung zur Autobahn A100 in Steglitz an den Fahrbahnrand gestellt. Lilli saß inmitten der Demonstranten, die den Verkehr blockierten.

Anders als die übrigen Teilnehmer der Gruppe „Essen retten - Leben retten – Aufstand der letzten Generation“ habe sich Lilli nicht an der Fahrbahn festgeklebt. So habe sie jederzeit die Möglichkeit gehabt, den Protest zu beenden, erläutert Carla Hinrichs, Sprecherin der „Letzten Generation“. „Lilli hatte eine Supportperson an ihrer Seite, die sich nicht auf die Straße gesetzt hat, sondern sich um Lilli kümmern sollte, falls sie Hilfe braucht.“

Kinder an der Klimafront

Von Cedric Rehman

15.02.2022

Die Mutter sagt, dass die Gruppe ihre Tochter auf die Blockade gut vorbereitet habe. Die Autofahrer hätten mit einem Hupkonzert auf das vorläufige Ende ihrer Fahrt reagiert. Ein Mann sei zu Beginn der Blockade ausgestiegen, um Demonstranten von der Fahrbahn zu ziehen. „Rührend fand ich einen Jungen, 15 oder 16 Jahre alt. Der ist ausgestiegen und hat deeskaliert. Ich weiß nicht, ob er meine Tochter gesehen hat“, meint die Mutter. Lilly sei aber nicht direkt angegangen worden, sagt Lena Schiller. Die Polizei räumte wie bei den vorangegangen Protesten schließlich die Zufahrt von Demonstranten.

Lena Schiller berichtet, dass ihre Tochter den Wunsch geäußert habe, sich in Berlin an den Protesten für ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung zu beteiligen. „Sie hat sich schon seit einiger Zeit mit der Klimakrise und dem Artensterben beschäftigt. Das belastet sie“, meint die Mutter. Auch bei den Schülerkundgebungen der Fridays for Future habe Lilli teilgenommen, dann aber erkannt, dass diese nicht genug bewirkten, erzählt Schiller.

Schule schwänzen für die Autobahnblockade

Sie selbst sei als Mutter von vier Kindern sensibilisiert worden für die Gefahren des Klimawandels, sagt Lena Schiller. Ihre Tochter blieb dem Schulunterricht fern, um in Berlin eine Autobahnzufahrt zu blockieren. Schiller rechtfertigt das unter Hinweis auf die Schulstreiks von Fridays for Future. Vereinzelt wurden dabei Bußgelder verhängt. Denn Erziehungsberechtigte sind verpflichtet, den Schulbesuch ihrer Kinder zu gewährleisten. Viele Schulen sahen aber über das Schwänzen für den Klimaschutz hinweg.

Auch eine mögliche Gefährdung der Sicherheit ihrer Tochter bei Handgreiflichkeiten von entnervten Autofahrern, wie es sie bei den Blockaden gab, hat Lena Schiller von der Begleitung ihrer Tochter nicht abgehalten. Sie beruft sich auf die Dringlichkeit der Klimasituation und sieht die Verantwortung für das Handeln ihrer Tochter bei der Politik. „Ich finde es dramatisch, dass junge Menschen sich genötigt sehen, sich für ihre Zukunft auf die Straße zu setzen“, sagt Schiller. Einen genauen Plan für mögliche Nachfragen seitens des Jugendamts oder der Schulbehörde scheint sie nicht zu haben.

Ihre Tochter will laut ihrer Mutter nicht mit den Medien sprechen. Carla Hinrichs, Sprecherin der Gruppe „Essen retten – Leben retten“, äußert sich dagegen zu der Teilnahme des Mädchens an der Blockade. Sie verweist wie Lena Schiller auf Lillis eigene Entscheidung. Die Gruppe habe sich bemüht, gut auf die junge Teilnehmerin während der Blockade zu achten, betont sie. Hinrichs ficht die Frage, ob die Klimaschützer nun Kinder für ihre Zwecke dem Risiko von Verletzungen bei einer Räumung oder bei Tumulten mit Autofahrern aussetzen, nicht an. Nicht das Verhalten der Klimaschützer, sondern die Politik der Bundesregierung sei extrem riskant.

Ob es der Außenwahrnehmung der Klimaschützer schaden könne, wenn sie eine Minderjährige bei ihren Aktionen dulde und auf ihre Teilnahme auf ihrer Internetseite aufmerksam mache, scheint Hinrichs nicht umzutreiben. „Mir ist bewusst, dass Menschen über unsere Methoden nicht glücklich sind. Wir sind aber nicht da, um als sympathisch wahrgenommen zu werden, sondern um den Klimakollaps zu verhindern“, sagt die Sprecherin der Gruppe "Essen retten - Leben retten". Dann zählt sie auf, was nach Ansicht der Aktivisten Kinder wie Lilli  in Zukunft erwarte. Unter anderem müsste Lilli damit rechnen, dass sich zu ihrer Lebenszeit Milliarden Klimaflüchtlinge auf den Weg nach Europa machen, um an den Grenzen „abgeschossen“ zu werden, sagt Hinrichs.

Die Internetseite der Organisation zitiert die Zwölfjährige in ihrer Mitteilung über die Blockade am Montag mit der Befürchtung, einmal in einer Welt voller Tierleichen, verbrannter Bäume und Plastik leben zu müssen. Die Gruppe will an diesem Mittwoch vor dem Reichstagsgebäude einen offenen Brief an Renate Künast (Grüne), Susanne Mittag (SPD) und Gero Hocker (FDP) übergeben. Vom Erscheinen der drei Ampel-Politiker hänge es ab, welche weiteren Schritte die „Letzte Generation“ unternehmen werde, erklärt Sprecherin Hinrichs.