Kommentar

Eine Impfpflicht ist fairer als 2G

Die Politik zieht die unangenehme Entscheidung in die Länge. Doch das heißt nicht, dass sie falsch ist.

Nur die Impfung führt aus der Pandemie.
Nur die Impfung führt aus der Pandemie.dpa

Vor Weihnachten hat uns der SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz versprochen, sie werde möglichst schnell kommen. Ende Februar, Anfang März, versprach er. Doch dann verpuffte die Energie in dieser Hinsicht merklich. Warum, ist nicht ganz klar. Ebenso wenig wie ein schlüssiger Zeitplan. Leider.

Dass die Koalition bei der Einführung der Impfpflicht nicht gerade glänzt, ist dennoch kein Argument darauf zu verzichten. Im Gegenteil. Wir brauchen die Impfpflicht, denn sie ist die Chance, einiges geradezurücken, was in den langen zwei Jahren der Pandemie gehörig in Schieflage geraten ist.

Es ist nämlich nicht ins Ermessen jedes Einzelnen gestellt, wie wir in Deutschland aus der Pandemie herausfinden.

Diese Ansicht hat sich bei vielen durchgesetzt, weil die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Gesundheitsminister Jens Spahn sehr schnell und ohne Not erklärt haben, es werde keine Impfpflicht geben. Das geschah zu einer Zeit, in der der Impfstoff noch knapp war und sich eigentlich alle Fragen darum rankten, wo man sich möglichst schnell den Piks verabreichen lassen könnte. Angela Merkel und ihr Kabinett, zu dem auch der heutige Kanzler gehörten, dachten schlicht, dass es für eine Pflicht keine Notwendigkeit geben würde. Es war einer der vielen Fehler des Pandemie-Managements. Er entstand aus der sympathischen, aber irrigen Annahme, dass es in diesem Land genug Menschen gibt, die sich aus Solidarität mit ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern den Maßnahmen zur Pandemiebewältigung nicht verweigern. Die Impfquote zeigt, dass ein Drittel von ihnen das zumindest beim Impfen nicht so sieht. Die Gründe sind vielfältig, aber – abgesehen von medizinischen – zweitrangig.

Das klingt hart, ist aber genau so gemeint. Die Gründe von Menschen, die aus persönlichen Befindlichkeiten in einer Pandemie einen Impfstoff ablehnen, sind im wörtlichen Sinne zweitrangig. Das bedeutet, dass diese Menschen gute Gründe haben mögen, dass es aber gewichtigere Gründe dafür gibt, dass ihr individuelles Recht auf Verweigerung eingeschränkt wird.

Es ist eine Tatsache, dass ausschließlich die Impfung einen absehbaren Weg aus der Pandemie weist. Sollten Masken, Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen ebenfalls zu diesem Ziel führen, wie oft suggeriert wird, dann wären wir ja wohl schon weiter, oder nicht?

Es muss die Botschaft an alle sein: Ihr seid verpflichtet zu helfen, wenn ihr könnt. Und eine Impfung ist in dieser Situation keine unangemessene Zumutung.

Das Drittel ungeimpfter Menschen in Deutschland ist sehr heterogen zusammengesetzt. Es gibt die hartnäckigen Leugner aus der Esoterik-Ecke, die indifferenten Erst-mal-Abwarter und die Menschen, die grundsätzlich ein Problem mit staatlichen Eingriffen haben, wobei die Grenzen fließend sein mögen. Doch die Botschaft an alle muss dennoch die gleiche sein, wie sie auch denen galt, die den Piks schon längst bekommen haben: Ihr seid verpflichtet zu helfen, wenn ihr könnt. Und eine Impfung ist in dieser Situation keine unangemessene Zumutung. Die unangemessene Zumutung ist die Erkrankung selbst.

Es wird in diesen Tagen viel darüber diskutiert, dass bei der Impfung Zwang der falsche Weg ist, um die Menschen zu überzeugen. Man dürfe sie nicht ausgrenzen, heißt das. Und dann wird noch mal eine weitere 2G- oder 2G-plus-Regelung beschlossen. Nicht geimpfte Menschen werden mehr und mehr vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Die Betroffenen ärgern sich darüber und prangern die Bestimmungen als Impfpflicht durch die Hintertür an. Damit haben sie gar nicht so unrecht, wie viele Politiker zugeben. Man möchte den Druck auf die Menschen erhöhen, dass sie sich doch noch immunisieren lassen.

Wie wäre es mit einer ehrlicheren Impfpflicht durch die Vordertür?