Das erstaunlichste innenpolitische Phänomen in Deutschland in diesem Jahr geschah abseits der großen, viel kommentierten Erregung. Was wurde und wird über den Zuwachs der populistischen AfD diskutiert, geschrieben und geschimpft. Die Ungeschicklichkeiten eines Friedrich Merz, der die AfD zur Abstimmung eines Gesetzes zur Begrenzung der Migration im Bundestag offensichtlich brauchte, wird bis heute genüsslich ausgewalzt.
Aber nahezu klammheimlich und unbesehen geschah in einem anderen Milieu ein Vorgang mit größerer Bedeutung. Die Partei Die Linke war eigentlich fast verschwunden, umgangssprachlich schien sie politisch „mausetot“. Der Abgang der omnipräsenten Sahra Wagenknecht und die Gründung des BSW beschleunigten noch den Abstieg der Linken. Diese fanden 2024 keine Themen mehr und schienen dazu noch heillos zerstritten.
Das BSW stieg und stieg in den Umfragen. Sahra Wagenknecht argumentierte auf allen TV-Kanälen, dankbar nahm sie die Dauereinladungen an. Schließlich wurde ihre nach ihr selbst ernannte Partei Koalitionspartner in der thüringischen und der brandenburgischen Landesregierung. Niemand zählte noch auf die Partei Die Linke. Und dann begann ihr kometenhafter Aufstieg ab Beginn dieses Jahres. Wie konnte es dazu kommen?
Zum einen tat der Abgang der egozentrisch veranlagten Sahra Wagenknecht der geschrumpften Partei sichtlich gut. Die jahrelangen Grabenkämpfe fanden ein schnelles Ende. „Man kann wieder durchatmen“, heißt es in der Fraktion. Die Übriggebliebenen sammelten sich zum Bundestagswahlkampf. Es entstand etwas, was wohl insbesondere in der Not zu wachsen scheint: Eine Art „Korpsgeist“, ein „Jetzt erst recht“.

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