Plötzlich tritt das Ehegattensplitting, ein Groß- und Dauerthema der deutschen Sozial- und Gesellschaftspolitik, aus der Kulisse – und es ist durchaus spannend, ob aus einem kleinen Anlass ein Ampel-Ruck wird. Tatsächlich wird gerade eine Konstellation sichtbar, die zum Ende der teuren, unfairen, frauenpolitisch desaströsen Zementierung der patriarchalischen Ehe uralten Typs führen könnte. Wie das?
Aufgestoßen hat das Fenster der unverhofften Chance Familienministerin Lisa Paus – in einem listigen politischen Manöver: Der Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte ihr Sparvorgaben für den neuen Haushalt gemacht, und sie, die Grüne, musste – leider, leider – als am wenigsten schlechte aller schlechten Möglichkeiten die Kappung der Einkommensgrenze für das Elterngeld vorschlagen. Man erinnere sich: Das Elterngeld geht auf die CDU zurück, es war eine der Glanzleistungen von Familienministerin Ursula von der Leyen. Wenn also Grün-Gelb-Rot die „Axt ans Elterngeld“ für Gutverdiener legt, wie es jetzt populistisch heißt, dann muss das schlimmen Schmerz im Team Schwarz erzeugen.
Nun kommt Lars Klingbeil ins Spiel, der SPD-Parteivorsitzende. Er hat die CDU ein paar Tage schimpfen lassen – und präsentiert die Lösung: Man schaffe das Ehegattensplitting für alle neuen Ehen ab. Er trägt vor, was im SPD-Programm steht. Das Ehegattensplitting kostet jährlich 20 Milliarden Euro. Die Einsparung im Bundeshaushalt müsste eine Freude sein für den FDP-Finanzminister. Und ein grünes Herzensprojekt würde Wirklichkeit.
Für die CDU spränge ein großer Imagegewinn heraus, wenn sie einem Deal zustimmte: Das Elterngeld bleibt, wie es die CDU als Verteidigerin der traditionellen Werte und Schützerin der Familie wünscht, und zugleich kommt da eine Chance, frauenpolitisch moderner zu werden, sich den Realitäten der veränderten Ansichten über Ehe, Partnerschaft, Familie, Kinder und Beruf anzunähern. Baut sich da vor den Konservativen eine goldene Brücke in die Modernität auf?
Allen genannten Parteien gemeinsam ist, dass sie – nach Jahrzehnten der Ignoranz – akzeptieren, dass Frauen mehr arbeiten sollen und müssen, weil Deutschland ein Arbeitskräfteproblem hat, ein Rentenproblem bekommt und Einwanderung allein nicht die Lösung ist.
Lisa Paus saß am Sonntagabend bei Anne Will und lächelte fein zu der Diskussion um ihren Vorschlag, jungen Paaren, die mehr als 150.000 Euro steuerpflichtiges Einkommen haben, kein Elterngeld mehr zu zahlen. Die Grenze wird von Ingenieuren oder Ärzten schnell übersprungen. Junge Frauen, die Ingenieurin für Maschinenbau oder Heizungstechnik wurden oder das lange Medizinstudium auf sich nahmen, sollen im Fall der Mutterschaft in die Röhre schauen und ansonsten sehr viel Steuern zahlen. Einer großen Mehrheit der empfangenden Bevölkerung gefällt das.
Nun heißt es, zum Elterngeld sei nicht das letzte Wort gesprochen. Das sagt auch die FDP. Ihr Vorschlag: Paare sollten ihre Elternmonate stärker angleichen. Wenn das nicht geschehe, bekäme nur ein Partner Elterngeld. Da muss man doch sagen, der Spirit der Fortschrittskoalition liegt eher bei der SPD.
Nach dem bisher geltenden Splitting werden Ehepaare und Lebenspartnerschaften bevorteilt, in denen einer viel und der andere wenig verdient. Wird keine Einzelveranlagung gewählt, wird das gemeinsame Einkommen halbiert, die darauf anfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. In den allermeisten Fällen steckt die Frau in der schlechten Steuerklasse V und zahlt also verhältnismäßig viel Steuern. Dieser Effekt wird noch stärker, wenn sie in Teilzeit arbeitet. Der Anreiz, in Steuerklasse V eine Vollzeitstelle anzunehmen, ist naturgemäß geringer.




