Nach dem Rücktritt von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel suchen die Grünen händeringend eine Antwort auf die Frage, wer ihr nachfolgen soll. Der Druck ist hoch, denn es darf nicht irgendwer sein. Weiblich sollte sie sein, dem linken Flügel angehören, heißt es aus der Partei. Denn die Grünen besetzen ihre Posten paritätisch. Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte am Dienstag, dass die Personalie bis Ostern entschieden sein könnte. Die wichtigste Anforderung sei, dass die Person Verantwortung für Familien, Kinder und die offene Gesellschaft übernehme, betonte sie. „Die Person muss vor allem eine Eigenschaft mitbringen: Das ist, geeignet für dieses Amt zu sein.“ Sie selbst könnte die Wahl sein.
Die Tage sind nicht glücklich für die Grünen, sehr, sehr schwierig seien sie sogar, lenkte Grünen-Parteichef Omid Nouripour am Dienstag bei der Klausur in Husum ein. Er meinte den Rücktritt der Bundesfamilienministerin Anne Spiegel, der die Tagung überschattete. Spiegel hatte erst am Montag das Handtuch geschmissen, weil sie 2021 mit ihrem Ehemann und den vier Kindern in einen vierwöchigen Frankreich-Urlaub gefahren war, zehn Tage nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Zu diesem Zeitpunkt war die Grünen-Politikerin noch rheinland-pfälzische Umweltministerin, war damit gar nicht vorrangig für die Flut zuständig. Trotzdem – der Druck erhöhte sich in den vergangenen Tagen auf die Politikerin, weil sie damals die Karten nicht offen auf den Tisch gelegt habe.
Noch am vergangenen Sonntagabend gestand Spiegel beinahe unter Tränen, dass dies damals falsch gewesen sei, und entschuldigte sich. Sie erwähnte, dass ihr Mann die Folgen eines Schlaganfalls auszustehen und ihre Familie Urlaub dringend nötig gehabt habe. Die Hetzjagd gegen sie war dennoch eröffnet, viele warfen ihr vor, Familie und Beruf nicht unter einen Hut zu bekommen. Sie sei schlichtweg überfordert gewesen. Die endgültige Entscheidung kam dann am Montag kurz und leise mit ein paar Zeilen daher. „Ich habe mich heute aufgrund des politischen Drucks entschieden, das Amt der Bundesfamilienministerin zur Verfügung zu stellen“, schrieb die gestürzte Ministerin. Und weiter: „Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht.“
Nachfolge: Diese Kandidatinnen und Kandidaten werden gehandelt
Seitdem dreht sich bei den Grünen das Personalkarussel. Gehandelt werden bis zu fünf Nachfolgerinnen und Nachfolger, bei denen allerdings wichtige Kriterien erfüllt sein müssen, wie etwa der Geschlechter- und Länderproporz. Entscheidend ist ebenso die Zugehörigkeit zu einem der beiden Parteiflügel. Das Verhältnis zwischen Angehörigen des linken und des Realo-Flügels soll sich bei den Grünen im Idealfall die Waage halten.
Als aussichtsreichste Kandidatin gilt derzeit Katharina Dröge aus Nordrhein-Westfalen. Die 37-Jährige gehört dem Bundestag seit 2013 an und ist damit eine erfahrene Parlamentarierin. Dröge ist seit Dezember 2021 Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion; zuvor war die Volkswirtin Parlamentarische Geschäftsführerin und Sprecherin für Wettbewerbs- und Handelspolitik. Manko: Familienpolitik war bislang nicht ihr Schwerpunkt, doch sie kommt wie Spiegel vom linken Parteiflügel.
Da wäre ihre 60-jährige Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann die bessere Wahl als neue Bundesfamilienministerin. Sie ist als studierte Diplom-Sozialarbeiterin fachlich vermutlich vertrauter mit Familienthemen. Doch Haßelmann zählt zum Realo-Flügel, was ihre Chancen vermutlich schmälert.

Eine weitere mögliche Anwärterin für die Ressortspitze wäre Parteichefin Ricarda Lang selbst. Sie ist Familien- und Sozialpolitikerin im Bundestag und gehört wie Dröge dem linken Flügel der Partei an. Allerdings steht sie seit Februar gemeinsam mit Omid Nouripour an der Spitze der Grünen. Ihre Ernennung zur Ministerin würde laut den Regeln der Grünen aber bedeuten, dass Lang den Vorsitz abgeben müsste. In der Partei heißt es, dass dies vielleicht sogar ein richtiger Schritt wäre.
Ebenfalls als Ministerin infrage kommt Bundestagsvizepräsidentin Katrin-Göring Eckardt. Die einstige Grünen-Fraktionschefin kennt sich in Sachen Familienpolitik aus, macht sich seit Jahren für die Kindergrundsicherung stark. Bei der Bildung der Ampelkoalition hatte sie – trotz Ministerambitionen – allerdings den Kürzeren gezogen. Ob jetzt die Stunde der Thüringer Grünen kommt, ist eher fraglich.

