Es hat eine Weile gedauert, bis sich auch die FDP für einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets erwärmen konnte. Das schien vor wenigen Wochen schwer vorstellbar, immerhin sprach Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner damals noch von „Gratismentalität“. Nach einem Verhandlungsmarathon im Kanzleramt hat sich die Ampelkoalition nun aber geeinigt: Das Angebot von Juni bis September sei „ein großer Erfolg“ gewesen, heißt in dem Papier des Koalitionsausschusses zu einem weiteren Entlastungspaket, das am Sonntag vorgestellt wurde. Ein bundesweites Nahverkehrsticket soll her.
Doch schon jetzt ist klar: Das Ticket wird teurer, und der Ampel drohen zähe Verhandlungen mit den Bundesländern. Denn die sind fest eingeplant bei der Finanzierung des Angebots. In einigen Landesregierungen regt sich schon jetzt Protest gegen die Pläne.
Das hat die Ampel vor:
Das Nahverkehrsticket soll 49 bis 69 Euro kosten. Entsprechende Vorschläge seien von Verbänden und Wissenschaft gemacht worden, heißt es in dem Beschlusspapier, die Verkehrsminister „erarbeiten zeitnah ein gemeinsames Konzept für ein bundesweit nutzbares, digital buchbares Abo-Ticket“. Heißt: Anders als beim 9-Euro-Ticket wäre das neue Angebot nicht mehr einzeln für einen Monat buchbar.
So soll das Ticket finanziert werden:
Die Bundesregierung will den Ländern für das Ticket „jährlich 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen“. Die Voraussetzung: Die Bundesländer müssten „mindestens den gleichen Betrag“ beisteuern. Aufmerken lassen die Wörter „zusätzlich“ und „mindestens“. Zum einen will die Ampelkoalition offenbar klarmachen, dass sie die Länder unterstützt. In dem Papier steht nämlich auch, dass die Verantwortung für den öffentlichen Nahverkehr eigentlich bei ihnen und den Kommunen liege. Zum anderen deutet die Formulierung an, dass es letztlich doch teurer werden könnte.
Das sagen die Länder:
Die Ampel wird mit den Bundesländern verhandeln müssen – und die Debatten könnten zäh werden. Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer spricht sich für eine Sonderministerpräsidentenkonferenz (MPK) aus. Die SPD-Politikerin betont, dass Bund, Länder und Kommunen „bei vielen Punkten“ des Entlastungspakets „bei der Finanzierung anteilig betroffen“ seien. „Es geht dabei um sehr viel Geld“, sagte die Ministerpräsidentin der Berliner Zeitung.
Zuvor hatte auch der nordrhein-westfälische Landeschef Hendrik Wüst eine zeitnahe Runde mit dem Kanzler gefordert. Der CDU-Politiker ist derzeit Vorsitzender der MPK. „Wenn die Länder mit bezahlen sollen, müssen sie auch mit entscheiden können“, sagte Wüst der Mediengruppe Bayern. Ähnlich wie Wüst äußerte sich der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Das Paket habe massive Auswirkungen auf die Länderhaushalte, sagte der Grüne der Deutschen Presse-Agentur.
All das weckt Erinnerungen an die Bund-Länder-Runden in der Corona-Krise, auch damals ging es mitunter um föderale Zuständigkeiten. Einer der Konfliktpunkte wird sein, dass sich Flächenländer, in denen der Nahverkehr teils deutlich schlechter ausgebaut ist als in Großstädten wie Berlin, bei der Finanzierung benachteiligt fühlen.
„Ich teile die Einschätzung der Bundesregierung nicht, dass das 9-Euro-Ticket ein großer Erfolg war“, sagt der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter der Berliner Zeitung. Das Angebot sei vor allem für Ausflüge genutzt worden, Pendler im ländlichen Raum hätten „praktisch nicht davon profitiert“. Die thüringische Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft, Susanna Karawanskij, meint ebenfalls, dass Menschen in Städten weitaus mehr von dem Ticket gehabt hätten.
Für den CSU-Politiker Bernreiter ist das Entlastungspaket in Sachen Mobilität eine „große Enttäuschung“. Er fordert einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Auch müsse der Bund die Verkehrsunternehmen bei den Energiepreisen unterstützen und die sogenannten Regionalisierungsmittel erhöhen. „Wenn der Bund zusätzlich tarifliche Entlastungen möchte, muss er sie auch selbst bezahlen“, sagt Bernreiter. Auch die linke thüringische Landesministerin Karawanskij forderte im Gespräch mit der Berliner Zeitung eine vollständige Finanzierung durch Bundesmittel.
Auf der Regierungskonferenz am Montag sagte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, dass eine Ministerpräsidentenkonferenz bereits geplant werde. Nun suche man nach einem passenden Termin. Bei den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern wird dann auch der Preis für das neue Ticket diskutiert werden.
Hier gibt es ebenfalls Streitpotenzial: „Ein 69-Euro-Ticket allein würde für Berlin wenig bringen, denn viele Abos liegen hier bereits günstiger“, sagte Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch der Berliner Zeitung. Die Grüne spricht sich für ein gestuftes System aus: ein regionales Ticket für 29 Euro im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg und ein bundesweites Angebot für 69 Euro. Der grüne Wirtschaftsminister in Hessen, Tarek Al-Wazir, schlägt auf Nachfrage ein vergünstigtes Ticket für Bedürftige vor.
Das sagt die Opposition:
Wenn der Bundestag am Dienstag in die Haushaltsdebatte startet, dürften die Pläne der Ampel auch im Parlament auf Widerspruch stoßen. Die Linkspartei meint, dass die veranschlagten Investitionen nicht ausreichen: „Die Summe von 1,5 Milliarden Euro ist zu gering, um eine günstige Nachfolge für das 9-Euro-Ticket einzuführen“, sagte der Fraktionssprecher für nachhaltige Mobilität, Bernd Riexinger, der Berliner Zeitung. Die Linke fordert zudem niedrigere Preise für die Bürger – ein 1-Euro-Tagesticket und ein bundesweites 365-Euro-Ticket. Studenten, Schüler und „Menschen ohne eigenes Eigentum“ sollten gar nicht bezahlen müssen.



