Kommentar

Die Politik kennt viele Quoten – nur bei Frauen wird sie infrage gestellt

Das Kabinett ist nun mehrheitlich mit Männern besetzt. Und schon wird die Parität grundsätzlich infrage gestellt. Das ist heuchlerisch. Ein Kommentar.

Sie geht, er kommt: Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht mit ihrem Amtsnachfolger Boris Pistorius (M.). Kanzler Olaf Scholz hat jetzt ein anderes Problem.
Sie geht, er kommt: Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht mit ihrem Amtsnachfolger Boris Pistorius (M.). Kanzler Olaf Scholz hat jetzt ein anderes Problem.Tobias Schwarz/AFP

Im Bundeskabinett gibt es seit Donnerstag keine Parität zwischen Männern und Frauen mehr. Das ist ärgerlich. Aber mindestens genauso ärgerlich ist, dass wir jetzt wieder eine Quotendebatte bekommen haben. Wolfgang Kubicki von der FDP sagte sinngemäß, dass es gut sei, dass dieser Unsinn nun vorüber sei und die Posten jetzt wieder nach Kompetenz vergeben würden.

Nach Kompetenz! Posten in der Politik! Kubicki hat es vielleicht nicht ganz ernst gemeint, das weiß man bei ihm ja nie. Falls doch, sollte man sich nur mal die Verkehrsminister der vergangenen 20 Jahre ansehen. Es gibt vermutlich kein einziges Kabinett, in dem die Ministerposten ausschließlich nach Kompetenz vergeben wurden. Denn in erster Linie geht es natürlich um Machtpolitik. Oder Länderquoten. Oder man ist ein Publikumsliebling in Talkshows gewesen, dann kann man Gesundheitsminister werden. Aber nur Frau sein, nein, das reicht natürlich nicht aus, schon klar.

Tatsache ist, dass Olaf Scholz ein Versprechen abgegeben hat. Man kann das heute noch auf Twitter nachlesen. Da hat er geschrieben – „Ein von mir als Bundeskanzler geführtes Kabinett ist mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt.“  Das war im November 2020. Da hat auch wirklich nur Olaf Scholz geglaubt, dass er Kanzler wird. Aber – das muss man ihm lassen – er hat sein Versprechen gehalten. Zunächst. Er hat ins Kabinett vier Frauen und drei Männer aus der SPD mitgebracht. Die FDP hat bei dem Thema erwartungsgemäß nicht mitgemacht und drei Männer und nur eine Frau geschickt. Die Grünen haben das aber wieder ausgeglichen, weil sie drei Frauen und nur zwei Männer in der Regierung haben. Zahlenmäßig war die Quote damit eingehalten.

Schaut man sich die Ressorts genauer an, merkt man, dass fast alle Frauen eher jene Fachgebiete bekommen haben, die auch heute noch oft unter Gedöns abgehakt werden. Entwicklungshilfe, Bauen. Familie, Umwelt. Auch bei der Verteidigung hat zu Anfang keiner gedacht, dass das Ministerium mal so wichtig wird. Und man muss es sagen: Christine Lambrecht war nicht die richtige Besetzung dafür.

Aber heißt das jetzt, dass die Parität eine dumme Idee war? Eine Frau hat versagt, lassen wir das mit der Quote? Nach dieser Logik hätte es in der großen Koalition keinen einzigen CSU-Minister geben dürfen.

Liest man in diesen Tagen über die Parität in der Politik, entsteht der Eindruck, es würde für die Frauen ein Extra-Kriterium angelegt. Vollen Zugang für die nächste gibt es nur, wenn ihre Vorgängerin gut performt hat.

Das verkennt aber das Prinzip der Parität. Bei der Parität geht es um Zahlen. Ähnlich wie in der Privatwirtschaft, die gerade die FDP im Blick hat. Dort misst man den Gewinn nüchtern an den Summen, die am Ende addiert werden können, und nicht daran, was für einen großen Spaß das letzte Projekt gerade gemacht hat. Wenn man so will, dann ist das Kabinett von Olaf Scholz gerade in die roten Zahlen gerutscht. Das ist jetzt noch nicht der Bankrott. Aber Scholz muss da wieder raus, wenn er weiter gewinnbringend Politik für uns alle machen will. Andernfalls könnte er bei der nächsten Wahl die Quittung kriegen.