Kommentar

Die Anklage gegen Donald Trump hat ihn wieder groß gemacht

Donald Trump muss sich vor einem Gericht verantworten. Darf man Schadenfreude zeigen? Lieber nicht! Denn die Anklage macht Trump wieder groß – und mächtig. Ein Kommentar.

Ex-US-Präsident Donald Trump ist vor seinem Termin zur Anklageverlesung in New York angekommen.
Ex-US-Präsident Donald Trump ist vor seinem Termin zur Anklageverlesung in New York angekommen.Yuki Iwamura/FR171758 AP/AP

Die erfolgte Anklage gegen Donald Trump bewegt die USA wie kaum eine andere Nachricht. Der ehemalige US-Präsident muss sich vor einem Gericht in New York verantworten. Ihm wird vorgeworfen, durch Schweigegeldzahlungen an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels gegen das Wahlkampfgesetz verstoßen zu haben. Ihm drohen mehrere Jahre Haft.

Die Kommentare in der deutschen Presse fallen wohlwollend aus. Aus vielen Zeilen spricht die Schadenfreude, dass ein Mann nun die Härte des Gesetzes zu spüren bekommen könnte, der sich öffentlich immer als unantastbar gesehen hat.

Der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg, den man der demokratischen Partei zurechnen kann, hatte vorab eine undankbare Entscheidung zu treffen: Hätte er Trump nicht angeklagt, hätten seine Kritiker gesagt, jeder sei vor dem Gesetz gleich – außer Ex-Präsident Donald Trump. Nun aber wird ihm zum Vorwurf gemacht, er würde die Gerichte politisch instrumentalisieren und gegen Trump eine „Hexenjagd“ betreiben. Es war keine leichte Ausgangslage für den Staatsanwalt.

Das Trump-Medien-Karussell dreht sich wieder

Nun aber ist die Entscheidung getroffen. Trump muss vor Gericht erscheinen. Trumps Anhänger – und sie sind in der USA immer noch mächtig und einflussreich – inszenieren jetzt den Schritt des Staatsanwalts gegen Trump als eindeutigen Beweis, dass sich tatsächlich eine bürgerliche Elite, bestehend aus liberaler Presse und linkem Establishment, gegen den Ex-Präsidenten verschworen habe. Der Märtyrer-Mythos, ja, er wächst und wächst.

Und nicht nur das. Das Trump-Medien-Karussell, das viele Liberale aus guten Gründen beendet sehen wollten, es beginnt sich plötzlich weiter und schneller zu drehen. Die New York Times berichtet per News-Ticker live über Trumps Gang zum Gericht in Manhattan. Die Journalisten fragen sich, wie der Ex-Präsident aussehen, was er tragen, ob er lächeln oder grimmig dreinblicken wird. Trump wächst wieder zu einer Größe heran, die man ihm eigentlich nehmen wollte – und sei es durch seinen Ausschluss von Facebook und Twitter. Die Anklage gibt ihm genau jene Aufmerksamkeit zurück, die Trump so stark und populär gemacht hatte, und so gefährlich. Und die Oppositionsmedien spielen das Spiel einfach mit.

Die Büchse der Pandora

Aber es gibt durchaus kritische, ja nachdenkliche Stimmen. Maggie Haberman, Politische Korrespondentin der New York Times, schätzte die Lage in dem New-York-Times-Podcast „The Daily“ am Montag kritisch ein. Sie warnte in dem Gespräch davor, dass Trump nun versuchen würde, die Anklage für sich zu nutzen, seine Fans gegen die Demokraten aufzustacheln und die Situation so auszulegen, dass ihm das Verfahren in New York Rückenwind gibt in seinem Kampf um die Kandidatur für die nächste Präsidentschaft.

Das Besondere: Laut der Einschätzung von Maggie Haberman gibt es genug Republikaner, die keine Sympathien für Donald Trump haben und nun sich solidarisch zeigen müssen. Die Anklage zwingt sie dazu, sich hinter den Ex-Präsidenten zu stellen, weil die Basis, die Wähler, die Behandlung von Donald Trump durch das New Yorker Gericht als große Scham, als politische Attacke gegen den Konservatismus Amerikas empfinden. Die Anklage schwächt also die gemäßigten Republikaner, sich von Trump zu emanzipieren und Trump als schwarzes Schaf auf die Nebenbühne der nationalen Politik abzuschieben.

Natürlich kann es sein, dass Donald Trumps Albtraum Wahrheit wird und er am Ende im Gefängnis landet – und dabei sein ganzes politisches Vermächtnis verliert. Es könnte aber auch genauso gut sein, dass das Gegenteil passiert: Trump könnte am Ende freigesprochen werden. Ein Sieg würde es ihm ermöglichen, sich als Opfer einer großen liberalen Verschwörung darzustellen, als Helden, der von den Eliten immerzu drangsaliert wird. Es wäre ein gewichtiges Argument für Trumps Wahlkampf zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten der USA. So hätte am Ende das Justizsystem Amerikas eine Büchse der Pandora geöffnet und den Siegeszug eines neuen alten Präsidenten ermöglicht. Die Zeit wird es zeigen.

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