Corona-Proteste

Der kleine Rest der Querdenker-Bewegung feiert eine „Woche der Demokratie“

Die rechte Protestbewegung will an ihre Anfänge anknüpfen, es kamen aber nur 2000 Demonstranten. Gegendemonstranten waren auch da.

Diese Demonstrantin von Omas gegen Rechts will auf das Problem der Hetze im Netz aufmerksam machen.
Diese Demonstrantin von Omas gegen Rechts will auf das Problem der Hetze im Netz aufmerksam machen.Berliner Zeitung/Markus Wächter

Die ältere Frau mit den weißen Haaren und dem blauen Hosenanzug sagt: „Wir wollen schon hier sein, wenn die kommen.“ Mit „die“ meint sie die Querdenker. Sie selbst trägt ein Schild von Omas gegen Rechts, eine Gruppierung, die immer dann auftritt, wenn rechtsradikale Organisationen auf die Straße gehen. Fest entschlossen steht sie vor den Toren der ARD und hält ein Transparent in die Höhe. Auf dem Plakat wird an die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr erinnert: „Hass + Hetze töten, wir trauern um die Hausärztin“.

Kellermayr ist eine österreichische Hausärztin, die in den vergangenen Monaten Opfer einer Hetzkampagne geworden und nun tot aufgefunden wurde. In Wien wurde am Montag der Ärztin gedacht. Sie war im Internet angefeindet worden, weil sie sich für Impfungen einsetzte.

Ausgerechnet in dieser Woche veranstalten die sogenannten Querdenker in Berlin eine „Woche der Demokratie“. Bis zum 6. August wollen sie täglich an die ersten großen Protestmärsche ihrer Bewegung vor zwei Jahren erinnern. Ihrer Meinung nach wurden sie in den vergangenen zwei Jahren in Medien falsch dargestellt und fordern „faire Berichterstattung“. Der Marsch an diesem 1. August sollte zum größten Montagsspaziergang der Geschichte werden, aber mit mehr als 2000 Teilnehmern rechnen weder Polizei noch Veranstalter.

Waren es 20.000 oder 1,3 Millionen Demonstranten?

Die Gegner der Corona-Maßnahmen haben sich am Montagnachmittag auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude versammelt. Wahrscheinlich auch deshalb beginnt die Polizei an diesem Montag damit, die umliegenden Straßen zu sperren. Neben den Omas gegen Rechts treffen mittlerweile immer mehr Gruppen vor dem ARD-Studioeingang aufeinander: Mitglieder der Gruppe Geradedenker und mehrere junge Leute der Antifa. Etwa 70 Personen warten auf den von Querdenkern organisierten Marsch. Allmählich wird der Lärm der Querdenker immer lauter.

Im Jahr 2021 war die Demonstration verboten worden, trotzdem kamen damals 5000 Teilnehmer. Diese Zahlen sind immer wieder Thema gewesen, sie wurden vor zwei Jahren sogar zu einem Politikum. Die Polizei zählte beim Protest auf der Straße des 17. Juni 20.000 Menschen, die Veranstalter berichteten jedoch von 1,3 Millionen. Es wurden seitdem mehrere Fotovergleiche angestellt mit der Loveparade, aber inzwischen sind sich Experten einig, dass es auch mit großzügiger Schätzung vor zwei Jahren nicht mehr als 20.000 Teilnehmer waren.

Doch an genau so eine Parade erinnert entfernt der Auftritt an diesem Montag: Mehrere mit Lautsprechern ausgestattete Wagen führen Gruppen von Menschen an, die sich unterschiedlich nennen: „Rote Linie“, „Freie Linke“, „Die Basis“ und „Friedensparade“. Rund um den Marsch beobachten viele Menschen mit Erstaunen, was sich vor ihren Augen abspielt. Andere laufen weg vor den Demonstranten: „Wir wollen nicht mit ihnen identifiziert werden“, sagen einige Frauen im Vorbeigehen.

Für Matias Mast, einen der Gründer von Geradedenker, wollen Demonstranten wie diese die Medien einschüchtern. „Sie sollen gezwungen werden, ihre Botschaften zu wiederholen.“ Er sieht viele Ähnlichkeiten mit Bewegungen, die sich um Politiker wie Donald Trump geschart haben. „Sie organisieren sich unter Namen wie Freie Linke“, sagt Mast, „haben aber mit linker Politik nichts zu tun.“

Tatsächlich sind ihre Banner so unterschiedlich, dass es schwierig ist, zu verstehen, was sie wollen. Sie tragen Plakate in Regenbogenfarben mit den Worten „Love wins“, „Frieden, Freiheit“ oder „Nie wieder Krieg“. Das klingt, als seien sie Teil eines Kampfes für die Menschenrechte. Sie tanzen, sie spielen Instrumente, sie tragen Schilder mit dem für die 60er-Jahre-Bewegungen charakteristischen Friedenssymbol. Aber bei ihnen ist das Symbol umgedreht.

Nur: Trotz ihrer Forderungen für mehr Berichterstattung wollen sie mit der Presse nicht sprechen. Christina Lipps von der Freien Linken ist eine Ausnahme. Sie sagt, sie gehe auf die Straße, um an das zu erinnern, was vor zwei Jahren begann und immer noch lebendig sei. „Auch wenn die Pandemie-Beschränkungen nicht mehr so stark sind wie noch vor zwei Jahren“, sagt Lipps, „ist es wichtig, die Impfpolitik und Einschränkungen der Grundrechte zu kritisieren.“ Auf die Frage nach dem Fall Lisa-Maria Kellermayr antworte sie, dass es „in jeder Organisation Menschen gibt, die schwierig sind, Menschen, die von dieser Politik nach zwei Jahren voll am Ende waren.“ Zum Hass und zur Hetze aus dem rechten Umfeld sagt sie nichts.