Kampf gegen die Pandemie

Debatte um Corona-Lockerungen: Die Ampel-Koalition ist zerstritten

Attacken der FDP gegen RKI-Chef Wieler, der Ruf nach Lockerungen, das Abbremsen anderer – die Politik stiftet derzeit Verwirrung. Nicht das erste Mal.

Steht in der Kritik: Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI).
Steht in der Kritik: Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI).dpa/Kay Nietfeld

Wenn am Dienstag Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der Präsident des Robert-Koch-Institutes (RKI), Lothar Wieler, in der Bundespressekonferenz einen Ausblick in Sachen Corona-Politik geben, dürften einige offene Fragen im Raum stehen. In der Ampel rumort es, sei es, wenn es um den plötzlich vom RKI verkürzten Genesenenstatus von sechs auf drei Monate oder wenn es um eine einheitliche Linie bei der Öffnungsdebatte geht.

Der Streit findet längst nicht mehr hinter verschlossenen Türen statt. Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte jetzt den Präsidenten des RKI scharf und deutete eine Ablösung an. Er habe zwar Respekt vor Wielers Leistung in den vergangenen zwei Jahren, des Vertrauens der FDP könne er sich aber aufgrund der neuerlichen Verfehlung beim verkürzten Genesenenstatus nicht mehr sicher sein, sagte er dem Magazin Spiegel.

Lauterbach beeilte sich danach, die Wogen zu glätten und stellte sich vor seinen RKI-Chef. Das gleiche taten Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die Grünen. Der RKI-Präsident habe in der Pandemie unfassbar viel geleistet, schrieb Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt auf Twitter. „Seine Expertise, die Fachlichkeit, die Standhaftigkeit bei Angriffen von Wissenschaftsfeinden verdient Respekt.“

Der Konflikt um Wieler in der Koalition ist aber nur das eine, eigentlich geht es um den kompletten Corona-Kurs. Und da sind sich die drei Parteien uneinig; ein gemeinsamer Weg ist derzeit nicht erkennbar. FDP-Chef Christian Lindner hatte vergangene Woche Lockerungen wie etwa die Abschaffung der 2G-Regel im Handel gefordert. Regierungssprecher Steffen Hebestreit bremste prompt angesichts der stark steigenden Zahl der Corona-Neuinfektionen ab, sagte, es sei zu früh, einen Fahrplan für Öffnungen vorzulegen. Auch der Gesundheitsminister und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagen Nein zu frühen Lockerungen, obwohl Lauterbach selbst – vorsichtig optimistisch – eine Woche zuvor diese ab Mitte Februar für möglich gehalten hatte. Habeck stellte immerhin eine Verlängerung der Corona-Hilfen in Aussicht.

Händler, Ärzte und Gastronomen fordern einen Öffnungsplan

Grund sind die stetig steigenden Inzidenzen wegen der Omikron-Variante. Die vom RKI gemeldete bundesweite 7-Tage-Inzidenz überschritt am Sonntag erstmals die Schwelle von 1400. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz noch bei 1156,8 (Vormonat: 285,9).

Uneins sind sich die Parteien auch darüber, was geschieht, wenn die Corona-Schutzmaßnahmen am 19. März enden. Der Bund könnte sie einmalig um weitere drei Monate verlängern oder auch nicht. Es liegt dann an den Ländern, vor Ort Pandemie-Regeln zu beschließen, seien es Hygienevorschriften oder 2G im Einzelhandel. Aus der SPD halten es einige für möglich, dass die Corona-Maßnahmen im März komplett wegfallen könnten, sagte jüngst der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner.

Was wir brauchen, ist ein Plan für die Freiheit. Damit gemeint ist ein Plan, der aufzeigt, wie wir schrittweise und orientiert an Parametern lockern können.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen

Angesichts dessen und der derzeit laufenden Lockerungsdebatte verlangen viele nun einen Öffnungsplan. Der Gastgewerbe-Verband Dehoga forderte am Wochenende Bund und Länder auf, bei der anstehenden Ministerpräsidenten-Konferenz am 16. Februar diesen für Gastronomie und andere Branchen zu beschließen, und zwar bundeseinheitlich.

Das sieht auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, so.  Es bedürfe eines „Freedom Plans“, sagte er der Berliner Zeitung: „Was wir brauchen, ist ein Plan für die Freiheit. Damit gemeint ist ein Plan, der aufzeigt, wie wir schrittweise und orientiert an Parametern lockern können. Diesen Plan zu formulieren, ist nun die wichtigste Aufgabe der Politik. Die letzte Ministerpräsidenten-Konferenz hat hierzu eine Öffnungsklausel formuliert. Diesen Weg gilt es konsequent umzusetzen.“