Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, steht vor seiner Ablösung. Offiziell ist das aber noch nicht. Im Innenministerium wollte man sich zu der Personalie nicht äußern – dort hieß es, die Angelegenheit sei in der Prüfung. Zu Deutsch: Die Tage von Schönbohm sind gezählt. Ministerin Nancy Faeser sagte am Montag bereits eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem BSI-Chef ab. Darin sollte es am Donnerstag eigentlich um den BSI-Lagebericht 2022 gehen.
Grund für die Querelen sind die Kontakte Schönbohms zu dem Verein Cybersicherheitsrat Deutschland e. V. Der Verein wurde vor zehn Jahren in Berlin gegründet und erweckt mit seinem Namen den Anschein, dass es sich um eine offizielle Organisation der Bundesregierung handelt. Er ist aber ein privater Zusammenschluss von Unternehmen, Behörden und Organisationen. Mitgründer war Arne Schönbohm – und bis zu seinem Wechsel an die Spitze des BSI war er auch Vereinspräsident.
Das „ZDF Magazin Royale“ hatte am Freitag öffentlich gemacht, dass eines der Vereinsmitglieder, die IT-Sicherheitsfirma Protelion GmbH, unter russischem Einfluss steht. Der Verein Cybersicherheitsrat schloss die Protelion GmbH am Montag „mit sofortiger Wirkung“ aus. Die Protelion GmbH bzw. ihre Vorgängerfirma Infotecs GmbH sei im Juni 2020 in den Verein eingetreten, erklärte Vereinspräsident Hans-Wilhelm Dünn in einer schriftlichen Stellungnahme. „Seitdem gab es weder Gespräche noch gemeinsame Projekte mit Vertretern des Unternehmens.“ Vorwürfe gegen den Verein seien daher „absurd“.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte am Montag, dass sich in dieser Angelegenheit „massive Fragen“ stellten. Wie und wann diese beantwortet werden, wollte er nicht mitteilen.
Allerdings hatte es schon im Jahr 2019 derartige Vorwürfe gegen den Cybersicherheitsrat Deutschland e. V. gegeben. Die ARD berichtete in einer „Kontraste“-Sendung über ein Treffen zum Thema Cybersicherheit in Garmisch-Partenkirchen, zu dem die russische Vereinigung NAIIS eingeladen hatte. Diese Tagung sei in deutschen Sicherheitskreisen einschlägig bekannt und habe nach deren Meinung einen russischen nachrichtendienstlichen Hintergrund. Einziger deutscher Redner auf der Konferenz sei Vereinspräsident Hans-Wilhelm Dünn gewesen. Dieser bestätigte im Interview mit „Kontraste“, dass er Kontakte zu russischen Nachrichtendiensten habe, da sie zu den „relevanten Akteuren“ gehörten, mit denen man Kommunikation pflegen sollte.
Der Berliner Zeitung bestätigte ein Vereinssprecher auf Nachfrage, dass Schönbohm in diesem Jahr beim zehnjährigen Jubiläum als Gastredner gesprochen habe. In seiner Rede habe er die aktuellen Herausforderungen im Bereich Cybersicherheit und bei der Digitalisierung skizziert. „Die Teilnahme von Herrn Schönbohm erfolgte nach Prüfung und Freigabe durch das Bundesinnenministerium“, erklärte der Sprecher. Ansonsten habe es keine Zusammenarbeit zwischen dem Verein und dem BSI-Präsidenten gegeben.
Auch die Grünen haben Veranstaltungen des CSRD besucht, hier spricht Tabea Rößner im März 2019 auf einem Panel mit Hans-Wilhelm Dünn. (11/12) https://t.co/VPvLlFzwqZ
— ZDF Magazin Royale (@zdfmagazin) October 10, 2022
Welche Firmen und Organisationen im Cybersicherheitsrat Deutschland e. V. Mitglied sind, lässt sich nicht sagen. Der Verein selbst will aus datenschutzrechtlichen Gründen darüber keine Auskunft geben. Bis zum Wochenende waren auf der Webseite des Vereins noch die Logos zahlreicher Institutionen aufgelistet, die wohl Mitglied beim Cybersicherheitsrat e. V. sind.
Dazu gehören die Commerzbank, die Polizeigewerkschaft, diverse Finanzunternehmen, die Botschaft Spaniens und auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Die Seite mit den Logos ist mittlerweile verschwunden. Auf Nachfrage der Berliner Zeitung erklärte das Gesundheitsministerium: „Die Mitgliedschaft des BMG am Cybersicherheitsrat ruht seit 2018.“ Weitere Informationen über den Zweck der Mitarbeit wollte das BMG nicht geben.
Aus der Opposition kamen Forderungen, den Sachverhalt aufzuklären. Die CDU-Abgeordnete Nadine Schön erklärte, dass Schönbohm noch in dieser Woche die Gelegenheit bekommen solle, im Innenausschuss und im Digitalausschuss Stellung zu nehmen. Man habe Schönbohm „immer als jemanden wahrgenommen, der verantwortungsvoll und klar vor den Bedrohungen durch russische Cyberangriffe gewarnt hat“. Schönbohm war während der Amtszeit des CDU-Innenministers Thomas de Maiziere ans BSI berufen worden.


