Compliance im BMWK

Vettern-Wirtschaftsministerium: Wieso sind in Habecks Haus die Beamten verwandt?

Im Wirtschaftsministerium sind Staatssekretäre verschwägert. Bei Öko-Lobbyorganisationen arbeiten Verwandte und Trauzeugen. Sind Interessenkonflikte vorhanden?

Wenn Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, zum Familienminister wird...
Wenn Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, zum Familienminister wird...Kay Nietfeld/dpa

Leider müssen wir Ihnen eine Absage erteilen, weil Ihr Partner bereits in unserem Unternehmen arbeitet“, eine solche Nachricht bekam meine Schwester als Antwort auf eine Bewerbung. Über soziale Medien hatte der potentielle Arbeitgeber herausgefunden, dass ihr Freund bereits ins Firmengeschäft involviert war. Doch wie geht man im Bundeswirtschaftsministerium mit Familienbanden um? Da läuft es offenbar umgekehrt: Je verwandter, desto besser.

Dass es innerhalb des BMWK Verwandtschaften und Beziehungen gibt, ist längst kein Geheimnis mehr. Dennoch wollte bislang keiner konkret beantworten, wie in solchen Fällen Interessenskonflikte vermieden werden. Die Berliner Zeitung hat nachgehakt.

Kürzlich wurde Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für seinen Einsatz in der Energiewende mit dem „Energieküste-Award“ ausgezeichnet. Und wer hat dem Grünen-Politiker den Preis übergeben? Sein eigener Bruder.

Familie Habeck scheint wirtschaftlich sehr engagiert zu sein, denn Hinrich Habeck ist Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Schleswig-Holstein (WTSH). Sie wird unter anderem von der schwarz-grünen Landesregierung in Schleswig-Holstein finanziert. Dort war Habeck von 2012 bis 2018 übrigens stellvertretender Ministerpräsident sowie Minister für Energiewende, Landwirtschaft und Umwelt.

Auf Anfrage der Berliner Zeitung beim Wirtschaftsministerium, inwieweit vermieden werde, dass die Brüder sich bei wirtschaftlichen Themen absprechen, sagt die Pressestelle nur: „Die WTSH organisiert im Auftrag des Landes den Schleswig-Holstein-Stand auf der Hannover Messe, daher war der WTSH-Chef bei der Stippvisite von Minister Habeck [...] anwesend.“ Robert Habeck habe eine rein symbolische Auszeichnung der Energieküste erhalten. Als Organisation der Kreise Nordfriesland, Dithmarschen, Steinburg und Pinneberg sei die Energieküste unabhängig von der WTSH.

Vetternwirtschaft: Wenn Habeck zum Familienminister wird

So weit so grün. Auch wenn der Preis angeblich nur zufällig von seinem Bruder überreicht wurde, so gibt es im Wirtschaftsministerium die ein oder andere familiäre Nähe. So sind beispielsweise Habecks Staatssekretäre Michael Kellner und Patrick Graichen verschwägert. 

Graichens Schwester Verena, Wissenschaftlerin beim Öko-Institut, hat Kellner – übrigens Ex-Bundesgeschäftsführer der Grünen – geheiratet. In ihrer Funktion wurde sie von der Bundesregierung in den Nationalen Wasserstoffrat berufen. Um den Kreis zu schließen, berichtet dieser an einen Staatssekretärsausschuss. 

Als wir bei der Bundesregierung anfragten, warum bei der Auswahl nicht auf private Beziehungen geachtet werde, wurden wir ohne Stellungnahme direkt an das BMWK verwiesen. Dieses wiederum sagt: „Die verwandtschaftlichen Verbindungen von Staatssekretär Dr. Patrick Graichen und dem Parlamentarischen Staatssekretär Michael Kellner wurden bereits vor ihren Dienstantritten im Dezember 2021 im BMWK adressiert und entsprechend offengelegt.“

BMWK-Interessenskonflikte: Vom Schwager bis hin zum Trauzeugen ist alles dabei

Innerhalb der Struktur des Ministeriums wurden laut einer Sprecherin des BMWK die Voraussetzungen geschaffen, dass keine Interessenkonflikte entstehen. Das gelte insbesondere bei der Vergabe von Aufträgen, Studien oder ähnlichem. „Die organisatorische Vermeidung von möglichen Interessenskonflikten im BMWK ist kein Novum, sondern bereits aus vorherigen Legislaturen erprobt“, sagt sie der Berliner Zeitung. 

Wie aber sieht die Vermeidung von Interessenskonflikten konkret aus, wenn Kellner und Graichen sonntags beim Kaffeekränzchen über die Arbeit plaudern? Das BMWK geht lediglich auf die Arbeitsprozesse ein. So wird laut Angaben des Ministeriums Staatssekretär Graichen bei Vergabeverfahren, auf die sich der BUND, das Öko-Institut oder Agora Energiewende bewerben, nicht beteiligt.

Dasselbe gelte für konkrete Einzelschritte zur Vorbereitung und Einleitung von Vergabeverfahren, auf die sich die genannten Organisationen bewerben könnten. Hierzu zählen beispielsweise die Wahl der Verfahrensart, Zuschlagkriterien oder die Erstellung von Vergabeunterlagen. In solchen Fällen werde Graichen durch den Staatssekretär Udo Philipp vertreten. 

Hinzu kommt, dass laut Wirtschaftsministerium Graichen zu Wochenbeginn Habeck darüber informierte, dass der neue Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur, Michael Schäfer, sein Trauzeuge war und sein Schwager ist. Das Ministerium teilte daraufhin in einer Meldung mit: „Mithin kann der Anschein einer möglichen Befangenheit nicht vollständig ausgeschlossen werden.“ Habeck habe daraufhin um eine interne Prüfung gebeten und lasse den Spitzenjob jetzt neu ausschreiben.

Was Öko-Institut und die Grünen sagen – ein Widerspruch?

Wir wollten wissen, inwieweit das Öko-Institut darauf achtet, dass die Verwandtschaft zwischen den Graichens und Kellner keinen Einfluss auf Studien und weiteres habe. Dessen Pressereferentin sagte uns daraufhin, dass Verena Graichen keine herausgehobene oder leitende Stellung am Öko-Institut habe.

„Aufträge an das Öko-Institut seitens Bundesministerien und Behörden kommen über Angebote in standardisierten Ausschreibungsverfahren, den die Ministerien auf Basis der gesetzlichen Grundlagen ausgestaltet haben“, so die Sprecherin. Persönliche Beziehungen würden deshalb keine Rolle bei der Auftragsvergabe spielen und keinen Compliance-Verstoß darstellen.

Außerdem gelte gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) der Grundsatz, dass alle Teilnehmer im Vergabeverfahren gleich zu behandeln seien. Widersprüchlich regle das GWB aber auch das Mitwirkungsverbot bei Interessenskonflikten. Für alles weitere diene die interne Leitlinie des Öko-Instituts, welche den Umgang mit möglichen Interessenskonflikten, die unter anderem aus verwandtschaftlichen Verhältnissen entstehen könnten, regle.

Als die Berliner Zeitung auch die Grünen um eine Stellungnahme bittet, heißt es seitens der Pressestelle lediglich: „Gerne verweise ich Sie an die Pressestelle des BMWK.“ Vielen Dank. 

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