Wahlen in Mexiko

Claudia Sheinbaum: Warum Mexikos erste Präsidentin eine außergewöhnliche Figur ist

Mit fast 60 Prozent der Stimmen kann die Linksnationalistin die pragmatische Politik fortsetzen – und darüber hinaus Geschichte schreiben.

Jubel nach dem großen Sieg auf dem Zócalo-Platz : Claudia Sheinbaum wurde zur ersten Präsidentin Mexikos gewählt.
Jubel nach dem großen Sieg auf dem Zócalo-Platz : Claudia Sheinbaum wurde zur ersten Präsidentin Mexikos gewählt.Carl de Souza/AFP

Präsidenta! Präsidenta! Noch klingt die weibliche Form ungewohnt – umso begeisterter probierten die Leute den Ruf, als sich Claudia Sheinbaum nach Verkündung ihres sensationell klaren Wahlsieges auf dem Zócalo-Platz an die Nation wandte. Fast 60 Prozent der Mexikanerinnen und Mexikaner haben der 61 Jahre alten Physikerin ihre Stimme gegeben. Ein sensationelles Ergebnis in mehrfacher Hinsicht: Sie ist die erste Frau an Mexikos Staatsspitze, und noch nie zuvor regierte ein Jude das katholische Land. Obendrein hat sie jahrelange Erfahrung als Politikerin.

Claudia Sheinbaum wurde in Mexiko-Stadt in eine säkular- jüdische Wissenschaftlerfamilie geboren. Die Eltern ihres Vaters (ein Chemieingenieur) wanderten in den 1920er-Jahren aus Litauen ein; die Eltern ihrer Mutter (eine Biologin) flohen aus Bulgarien vor dem Holocaust. Auch ihr Bruder ist Physiker. Sie erwarb ihren Doktorgrad mit einer Arbeit über Energietechnik, forschte zum Energieverbrauch im mexikanischen Verkehrswesen und in Gebäuden.

Kein Wunder, dass sie in ihrer Amtszeit als Regierungschefin von Mexiko-Stadt (2018–2023) den Kampf gegen die extreme Umweltverschmutzung und den gefährlichen Wassermangel aufnahm. Und es gelang, die Mordrate zu halbieren – nicht durch drakonisches Vorgehen der Sicherheitskräfte, sondern durch Stärkung der Staatsanwaltschaft, energische Ermittlungsarbeit und beschleunigte Justizverfahren.

Gewalt, auch vom Militär ausgehend, und Korruption werden sie als Präsidentin beschäftigen, denn die Macht der Drogenkartelle zu brechen, hat ihr Förderer, der bisherige Präsident Andrés Manuel López Obrador, nicht vermocht. Beide gehören der linksnationalen Partei Bewegung für Nationale Erneuerung (Morena) an.

Mexiko hat also Kontinuität gewählt, vor allem der pragmatische, entwicklungsorientierte Kurs der wirtschaftlichen Stabilisierung kam gut an. Das Wachstum 2023 fiel mit 3,2 Prozent deutlich besser als erwartet aus, die Arbeitslosigkeit sank auf drei Prozent, ein historisches Tief.

Welche neuen Akzente Claudia Sheinbaum setzen wird, ist noch nicht bekannt. Jedenfalls startet sie mit einem Sieg, der Mexiko verändern wird, denn auch in den Kongress- und Gouverneurswahlen schnitt Morena gut ab – nicht ausgeschlossen, dass eine qualifizierte Mehrheit im Kongress die Verfassung ändern kann.

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Nun ist es ja immer klug, Vorschusslorbeeren sparsam zu vergeben, aber solch eine Persönlichkeit hat zumindest einen Zweig verdient.