Manchmal gibt es eben doch Überraschungen. Eine davon ist in diesen Tagen Bettina Stark-Watzinger, „aus voller Überzeugung Politikerin, mit ganzem Herzen Mutter. Freie Demokratin aus Hessen und Parlamentarische Geschäftsführerin FDP-Bundestagsfraktion“. So wirbt die 53-Jährige jedenfalls selbst für sich. Im neuen Kabinett soll Stark-Watzinger Bildungsministerin werden. Damit hatten im politischen Berlin dann doch wenige gerechnet. Auch sonst wird beim Personaltableau wohl nicht alles so kommen, wie man zuvor gewettet hätte.
Die SPD wird neben dem Bundeskanzler Olaf Scholz und dem Kanzleramtschef sechs Minister stellen. Die Grünen besetzen fünf Ressorts, die FDP vier. Am Mittwoch gab es noch keine offizielle Kabinettsliste. Die Ressortverteilung soll erst am Donnerstag in Gänze bekannt gegeben werden.
Fest stehen die Dinge aber schon bei der FDP. Partei-Chef Christian Lindner bekommt das von ihm heiß ersehnte Finanzministerium. FDP-Geschäftsführer Marco Buschmann kümmert sich um Justiz und Volker Wissing, der Generalsekretär der Partei, übernimmt das bisherige Scheuer-Ministerium – den Verkehr. Bettina Stark-Watzinger wird Ministerin für Bildung und Forschung. So will es der Bundesvorstand der Partei.
Bei der SPD hält man sich abgesehen von Olaf Scholz als Bundeskanzler noch etwas bedeckter. Arbeit und Soziales geht nach Spiegel-Informationen an den bisherigen Minister in diesem Ressort Hubertus Heil (SPD), das Wirtschaftsministerium wird zum Klimaministerium und geht an den Grünen-Chef Robert Habeck. Die Außenpolitik verantwortet Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Bei den Grünen sollen wohl erst am Donnerstag offiziell Namen genannt werden.
An die SPD gehen neben dem Kanzleramt auch Gesundheit, Inneres und Verteidigung, die Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Bauen. Familien, Ernährung/Landwirtschaft und Umwelt/Verbraucherschutz gehen an die Grünen.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung beschäftigt sich eingehender mit der grünen Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die ebenfalls gern ins Kabinett gegangen wäre. Auf den letzten Metern, so die FAZ, habe sich jedoch an ihrer Stelle Cem Özdemir durchgesetzt, der bei der Bundestagswahl seinen Wahlkreis in Stuttgart mit mehr als 40 Prozent der Stimmen direkt gewonnen hatte. Göring-Eckardt dagegen hatte sich in den vergangenen Wochen einige Fehltritte geleistet, insbesondere in der Corona-Politik. So war sie mit nicht abgesprochenen Aussagen zur Impfpflicht vorgeprescht und musste sich später korrigieren. Die FAZ sieht den bisherigen Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter als Umweltminister, Steffi Lemke zuständig für Ernährung und Cem Özdemir als Familienminister.
Inhaltlich setzt die Koalition in ihrem Vertrag, wie zu erwarten war, Schwerpunkte vor allem in der Bekämpfung der Klimakrise, beim Industriestandort, der Digitalisierung, für bezahlbare Wohnungen, gute Löhne, eine Kindergrundsicherung und stabile Renten. Ein „Dokument der Zuversicht“ nennt Robert Habeck den Vertrag am Mittwoch, als die Verhandler ihr Ergebnis in einer Veranstaltungshalle im Berliner Westhafen vorstellen.
So soll Hartz IV durch ein Bürgergeld abgelöst werden. Der Mindestlohn soll künftig zwölf Euro betragen. Es wird eine Ausbildungsplatzgarantie geben und eine Reform des Bafögs. Das Wahlrecht soll ab 16 Jahren gelten. „Wir wollen jährlich 400.000 neue Wohnungen bauen, darunter 100.000 öffentlich gefördert. Dafür begründen wir ein Bündnis bezahlbarer Wohnraum und treiben das Thema mit einem eigenen Bauministerium voran“, heißt es in einer Kurzform des Vertrags.
Die Ampel-Koalition will den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos beschleunigen. Erneuerbare Energien sollen massiv ausgebaut und dafür die Planungsverfahren für den Bau von Netzen, Windrädern und Infrastruktur verändert werden. „Wir investieren in den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft im Industriemaßstab und sorgen dafür, dass Deutschland beim Aufbau einer klimaneutralen Industrie Innovationen aktiv fördert und technologisch neue Maßstäbe setzt“, heißt es im Vertrag. Die Mittel für Forschung und Entwicklung werden dafür erhöht.
Das Rentenniveau soll gesichert werden, Rentenkürzungen und die Anhebung des Renteneintrittsalters schließt die Koalition aus und verkündet den Einstieg in die sogenannte Aktienrente. Die Kindergrundsicherung bündelt bisherige finanzielle Unterstützungsleistungen. Gemeinsam mit den Ländern sollen die Bildungsausgaben deutlich gesteigert werden. Bei der Pflege wird bessere Personalausstattung versprochen.



