Berlin-Gratis-Joints, Gutscheine und Goldgeschmeide – im Kampf gegen das Coronavirus sprießen überall auf der Welt Angebote aus dem Boden, mit denen Menschen für ihre Impfbereitschaft belohnt werden sollen. Damit der Impffortschritt nicht ins Stocken gerät, legten auch in Deutschland einige Regionen zuletzt Köder aus.
Im thüringischen Sonneberg bescherte eine Bratwurst als Belohnung der Impfstelle einen Ansturm auf Covid-19-Impftermine. Bei der Aktion Ende Juli kamen Hunderte, um sich neben der Spritze auch die Fleischspezialität abzuholen. Vergangene Woche gab es eine solche Wurstaktion auch im Erzgebirge, in Aue-Bad Schlema. Wieder berichteten die Macher von einem großen Zulauf. Sachsen hinkt bei der Impfkampagne dem Rest Deutschlands hinterher. Der Freistaat liegt laut Robert-Koch-Institut auf dem letzten Platz im Bundesländervergleich.
Die Bratwurst-Aktionen gaben Nutzern in den sozialen Medien Anlass für reichlich Witz und Spott. Einige wurden angesichts der Lage zu wahren Dichtern: „Wer andern eine #Bratwurst brät, der sorgt für Herdenimmunität.“ Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nutzte die Gunst der Stunde und klinkte sich ebenfalls in den trendenden Hashtag ein. Er warb für lebensnahe Angebote und teilte ein Foto, das ihn grinsend mit einer Bratwurst im Brötchen zeigt.
Wir müssen die Impfung jetzt an die Leute bringen und so viele Bürgerinnen und Bürger wie möglich davon überzeugen, sich impfen zu lassen. Lebensnahe Angebote gehören dazu. #Bratwurst pic.twitter.com/SFMUXIQIfQ
— Olaf Scholz (@OlafScholz) August 1, 2021
Ungewöhnliche Impfaktionen gibt es auch in anderen Teilen Deutschlands. In Berlin darf man die drei „Langen Nächte des Impfens“ dazuzählen, die letzte findet an diesem Freitag von 20 Uhr bis Mitternacht mit Club-Atmosphäre in der Arena in Treptow statt. Geworben wird mit einem „Line-up an DJs, das problemlos auch mit einem Festival mithalten könnte“. Eine solche Impfnacht hat es auch in Hamburg bereits gegeben. Dirk Heinrich, der Ärztliche Leiter des dortigen Impfzentrums in den Messehallen, bezeichnete die Aktion im Nachhinein als „schönen Erfolg“: Etwa 4500 Menschen hatten sich spontan und ohne Termin ihre Corona-Erstimpfung abgeholt.
In Solingen gab es ebenfalls ein „Late-Night-Impfen“, bei dem die Spritze zu DJ-Musik und alkoholfreien Cocktails verabreicht wurde. Auch für Frühaufsteher wurde gesorgt: Im Kreis Olpe gab es im Impfzentrum ein Frühschoppenkonzert mit alkoholfreiem Bier.
Thailand: Wer sich impfen lässt, kann eine Kuh gewinnen
Getreu dem Motto „Wenn die Menschen nicht zu den Spritzen kommen, müssen die Spritzen zu den Menschen gelangen“ ging man auch im Südwesten vor. In einer Aktionswoche bot das Stuttgarter Gesundheitsministerium vor den Sommerferien Baden-Württembergs rund 250 Vor-Ort-Chancen an, darunter auf Wochenmärkten, vor Supermärkten oder in Einkaufszentren ebenso wie am Wertstoffzentrum Hechingen.
Geimpft wurde auch bei Fußballspielen, am Freilichtmuseum oder im Freizeitpark, in einer Karlsruher Kneipe und bei einem Weinfest in Aalen, auf dem Offenburger Fischmarkt, im Heidelberger Zoo. Im badischen Bruchsal wurden die Spritzen an einem Riesenrad gesetzt. Belohnung: eine Freifahrt.
Schwerere Geschütze fährt Thailand auf. Seit Juni wird im ländlichen Bezirk Mae Chaem, wo viele dem Piks in den Arm lange skeptisch gegenüberstanden, jede Woche eine Kuh unter Impfwilligen verlost. Lokalen Medien zufolge soll die Aktion so lange weitergehen, bis 70 Prozent der Bevölkerung in der Region geimpft sind. Der Andrang soll sich seit Beginn der Aktion vervielfacht haben. Kein Wunder: Eine Kuh ist im Königreich 10.000 Baht (250 Euro) wert – das ist viel Geld in dem von Corona und fehlendem Tourismus gebeutelten Land. Im nordöstlichen Bezirk Khon Kaen wollen die Behörden drei Goldketten verlosen, sobald 2000 Bürger geimpft sind.
Eine Tombola, aber nur für Geimpfte – das hat sich die Stadt Nîmes in Südfrankreich ausgedacht, um die Kampagne gerade bei Jüngeren wieder anzukurbeln. Sie lud im Juli zu einer virtuellen Impfparty ein und verloste an 18- bis 25-Jährige mit mindestens einem Piks Konzerttickets, Freifahrtscheine für den Bus oder Eintrittskarten fürs Schwimmbad. Eine ähnliche Aktion gibt es in Argenteuil nahe Paris. Und auch mit nicht-materiellen Belohnungen versucht man es im Nachbarland: Eine Werbekampagne zeigt ein leidenschaftlich knutschendes Paar auf dem Rücksitz eines Autos, dazu den Slogan: „Ja, die Impfung kann erwünschte Nebeneffekte haben.“
Aufs Schäkern setzen auch die Niederlande. Das Gesundheitsamt in Haarlem bei Amsterdam lockte Singles mit einem Blind Date zum Impftermin. Wer wollte, konnte sich zum arrangierten Flirt anmelden. Die Behörde vermittelte den Partner für das Impf-Date in der Viertelstunde Wartezeit nach dem Piks – mit sicherem 1,50 Meter Abstand versteht sich. Vielleicht konnte die Aktion hier und da auch gegen die Einsamkeit vieler Singles während der Pandemie helfen.
In Finnland hat die Stadt Rovaniemi in Lappland zwei ihrer bekanntesten Persönlichkeiten eingespannt: den Weihnachtsmann, der laut finnischem Glauben in der Region lebt, und den Frontmann der Hardrock-Band Lordi, die 2006 den ESC gewann. Mister Lordi ließ sich stilecht im Monster-Bühnenkostüm die zweite Corona-Impfung geben, während auch Santa Claus bei der Impfveranstaltung vorbeischaute – wegen seines hohen Alters hatte der seine Impfdosen aber schon lange Zeit vorher erhalten.
USA: Freiflüge, Luxus-Kreuzfahrten, Universitätsstipendien
In den USA überbieten sich derweil Bundesstaaten, Kommunen und Unternehmen schon seit Monaten mit materiellen Stimuli: Freiflüge, Luxus-Kreuzfahrten, Universitätsstipendien, kostenlose Taxifahrten, Einkaufsgutscheine, Gratis-Tickets für große Sportveranstaltungen, Freigetränke, ja sogar Millionengewinne – die Liste der Lockmittel ist lang. Ein Dauerbrenner und viel beachteter PR-Gag: Bei der Donut-Kette Krispy Kreme bekommt schon seit März jeder Geimpfte beim Vorzeigen der Impfkarte einen süßen Krapfen geschenkt – im Zweifel jeden Tag. Besonderes Aufsehen erregte eine Lobby-Gruppe, die in New York und Washington Joints für Geimpfte ausgab.

In manchen Impfzentren im Nachbarland Mexiko wurde den Menschen in den vergangenen Monaten nicht nur eine Spritze geboten, sondern auch ein Unterhaltungsprogramm. Animateure tanzten und sangen im Auftrag der Behörden von Mexiko-Stadt mit den Wartenden oder machten mit ihnen Yoga. Damit sollte vor allem den älteren Mexikanern, die in der Impfkampagne des Landes als Erste drankamen, das Warten auf die Spritze versüßt und von Ängsten abgelenkt werden.


