Sozial- und Energiepolitik

Berliner SPD-Politiker: Die Grünen sind die Partei der Besserverdienenden

Die Inflation lässt in der Berliner Koalition einen alten Streit wieder kräftig auflodern. Dahinter steckt die Frage: Wem muss der Staat in der Not helfen?

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsministerdpa/Fabian Sommer

Gas, Lebensmittel, Reisen – alles wird teurer. Russlands Krieg in der Ukraine, die Sorge um die Energieversorgung und die hohe Inflationsrate führen dazu, dass in diesem Jahr die politische Sommerpause ausfällt. In der rot-grün-roten Koalition im Land Berlin herrscht Uneinigkeit, wie darauf zu reagieren ist. Vor allem SPD und Grüne streiten.

Der Berliner SPD-Politiker Jörg Stroedter hat die westliche Embargopolitik gegen Russland als einen Hauptgründe für die gewaltig gestiegenen Energiepreise der vergangenen Monate ausgemacht. Es sei richtig, den „barbarischen Angriffskrieg Russlands“ zu verurteilen und der Ukraine militärisch und wirtschaftlich zu helfen, doch die Embargopolitik des Westens sei falsch. „Russland macht doch Riesenprofite, indem es sein Gas und Öl eben an andere Partner verkauft“, sagt der Fachmann für Energie- und Wirtschaftspolitik der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus im Gespräch mit der Berliner Zeitung.

Aus Stroedters Sicht sind in Deutschland die Grünen die stärksten Embargo-Treiber. Sie wollten die Krise nutzen, um den Ausstieg aus den fossilen Energien und den Umstieg auf erneuerbare Energie zu forcieren. Warnungen, Deutschland dürfe sich mit den Sanktionen nicht selbst schaden, seien abgetan worden.

Das böse Erwachen, so Stroedter, komme mit der nächsten Betriebskostenabrechnung. Spätestens dann werde die Stimmung kippen, so der Sozialdemokrat.

Umso mehr müsse darauf geachtet werden, dass jetzt möglichst vielen stark geholfen wird. Dabei gehe es auch um die Mittelschicht, die unter den Preissteigerungen leide.

Auch Raed Saleh kritisiert die Grünen. Der Partei- und Fraktionschef und damit starke Mann der Berliner SPD warf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der vergangenen Woche in einem Interview vor, „die Kosten des eigenen energiepolitischen Versagens auf die Verbraucher abzuwälzen“.

Unmittelbarer Anlass waren Überlegungen von Habeck, die Priorisierung der Gasversorgung für Privathaushalte infrage zu stellen. Eine dauerhafte Unterbrechung von industrieller Produktion hätte massive Folgen für die Versorgung.

„Es ist richtig, die Industrie und die Arbeitsplätze zu sichern“, sagt Saleh. „Habeck will aber die zu befürchtenden Kostenexplosionen von bis zu 500 Prozent auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abwälzen.“

Der Berliner SPD-Chef fordert, dass sich der Bund bei der Abfederung der explodierenden Energiekosten stärker beteiligt. Der Bund habe durch die gestiegenen Kosten in vielen Lebensbereichen zwischen 2021 und 2023 „rund 50 Milliarden Euro ungeplante Mehreinnahmen aus genau diesen Kostenentwicklungen bei der Mehrwertsteuer“, so Saleh.

Seit Längerem schon drängen Berliner Landespolitiker auf mehr Bundeshilfen für arme Menschen – und die Sicherung ihrer Versorgung. Kürzlich hatte erst Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) gesagt: „Armutsbekämpfung ist eine Aufgabe des Bundes.“

Unabhängig davon hat das Berliner Abgeordnetenhaus im kürzlich beschlossenen Doppelhaushalt einen Energiefonds mit bis zu 380 Millionen Euro für die Abfederung sozialer Härten beschlossen. Vor allem die SPD will diesen Fonds ausbauen. Saleh spricht jetzt von einem Volumen von einer Milliarde Euro.

Das klingt ganz anders als das, was Berlins Vizeregierungschefin und Umwelt- und Verbraucherschutzsenatorin Bettina Jarasch sagt. Der Staat könne nicht alle Folgen für die Bürger infolge rasant steigender Energie- und Lebensmittelpreise abfedern, sagte die Grünen-Politikerin am Montag in einem Interview. „Jetzt ein Rundum-sorglos-Paket zu versprechen, würde bedeuten, die Menschen in eine Falle zu schicken. Den Eindruck zu erwecken, der Staat könne dafür sorgen, dass sich nichts verändert, wäre Betrug an den Menschen. Mit der Gießkanne etwas über alle auszuschütten, werden wir uns nicht mehr leisten können. Und es wäre nicht gerecht.“

Jarasch plädiert für möglichst zielgenaue staatliche Hilfen und Entlastungen für die am meisten von der Energiekrise betroffenen Menschen. Für Transferleistungsempfänger trage der Staat die Heizkostenzuschüsse. „Wir müssen jetzt vor allem diejenigen entlasten, die hart arbeiten, aber wenig verdienen.“

Davon hält SPD-Mann Stroedter nichts. „Frau Jarasch macht es sich zu leicht, wenn sie glaubt, es würde ausreichen, nur die Schwächeren zu unterstützen“, sagt er. In solchen Äußerungen sehe er sich in einer Annahme bestätigt, so Stroedter: „Die Grünen sind die Partei der Besserverdienenden.“