CDU und SPD in Berlin

Berliner Koalition: Schreckgespenster hüben und drüben

Der Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot in Berlin liegt vor, jetzt müssen die SPD-Mitglieder entscheiden. Dabei geht es nicht nur um rationale Argumente. Ein Kommentar.

Immer debattierfreudig: SPD
Immer debattierfreudig: SPDIpon/Imago

Am Tag nach der Präsentation des schwarz-roten Koalitionsvertrages mit dem Titel „Das Beste für Berlin“ stand Trommeln und Werben auf der Tagesordnung. „Der Koalitionsvertrag ist das sehr gute Argument“, sagte SPD-Chefin Franziska Giffey am Dienstag im RBB-Inforadio. „Wir haben sehr viel erreicht für die SPD, wir können viel bewegen.“ Dafür müsse man in die Regierung. Doch das wird schwierig genug.

Bekanntlich entscheiden weder Franziska Giffey noch der Landesvorstand der Partei, ja nicht einmal ein Parteitag über das weitere Vorgehen, wie es etwa bei der CDU geplant ist: An diesem Dienstag startete die SPD ein Mitgliedervotum über den 130-seitigen Vertrag. Am Mittwoch beginnt der Versand an 18.566 Parteimitglieder per Post. Bis zum 21. April ist Zeit, dann wird gezählt. Das Ergebnis wird am 23. April verkündet.

Auf dem Weg dahin organisiert die SPD sechs Foren, auf denen sich die Mitglieder informieren, austauschen, aber auch Luft verschaffen können. Schließlich ist der Tiefschlag der Wiederholungswahl, als die Partei bei historischen schlechten 18,4 Prozent landete und damit erst der Weg weg von Grünen und Linke hin zur CDU bereitet wurde, parteiintern bisher nicht aufbereitet worden. Im Gegenteil.

Vor allem der allgegenwärtige Partei- und Fraktionschef Raed Saleh sorgte für einen geradezu gnadenlosen Pragmatismus nach der Devise: „Weiter, immer weiter!“ Vor allem aber nicht mehr mit den Grünen. Dann blieb nur die CDU.  

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Nun können die SPD-Mitglieder entscheiden, ob sie ihre Partei als Juniorpartnerin in einem von Spöttern als KleiKo (CDU und SPD kamen bei den Wahlen gemeinsam auf 46,6 Prozent) geschmähten Bündnis sehen. Oder eben nicht. Mit allen möglichen Konsequenzen.

Seit Wochen laufen die Gegner Sturm gegen ein Zusammengehen mit der CDU. Und das sind nicht nur die notorischen Jusos, sondern auch so mancher Funktionär aus dem Mittelbau. Ein Wortführer ist Lars Rauchfuß, Vorsitzender des Kreises Tempelhof-Schöneberg. Er ist für die Fortsetzung von Rot-Grün-Rot, nur unter anderen Vorsätzen und mit anderem Personal. Die Chancen dafür seien gegeben, sagt er.

Im Gespräch mit der Berliner Zeitung entwirft Rauchfuß ein Szenario für den Fall, dass Schwarz-Rot abgelehnt wird. Dann, so Rauchfuß, müsste es schnell einen Parteitag geben, auf dem Giffey, Saleh und ihre Mitstreiter „Verantwortung übernehmen“ müssten. Das heißt aus der Politikersprache übersetzt: Sie müssten zurücktreten, um einer Abwahl zuvorzukommen.

Nach Rauchfuß’ Worten würde danach nicht Chaos ausbrechen. „Ich glaube nicht, dass wir ein komplettes Trümmerfeld hinterlassen würden.“ In seiner Erzählung würden sich dann Leute finden, die übernehmen könnten – und die Partei zurück zu Grünen und Linke führten.

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Inzwischen hat sich ein zweite Gruppe in der SPD gefunden – und die sieht die Dinge nun vollkommen anders. Die Initiative heißt „Besser mit uns“, soll heißen: mit der SPD in der Regierung. Und das gehe derzeit nur mit der CDU.

Damit liegt die Initiative auf Linie der Parteispitze. Franziska Giffey machte ihre Position noch einmal ganz klar: Die Alternative zu Schwarz-Rot wäre nicht etwa eine Fortsetzung der bestehenden Koalition. Sondern: „Wenn wir hier nicht diesen Weg gehen, dann wird es ein schwarz-grünes Bündnis. Dann schaut die SPD in der Opposition zu.“

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So hatte sie auch den Wechsel hin zur CDU begründet: Die SPD sei damit den Grünen knapp zuvorgekommen. Von CDU-Chef Kai Wegner ist bekannt, dass er gerne Vormann eines schwarz-grünen Bündnisses geworden wäre. In den Sondierungen waren sich CDU und Grüne schon nahe gekommen. Aber ob es dazu tatsächlich gekommen wäre, und erst recht, ob es nach einem Nein zu Schwarz-Rot noch möglich wäre, ist Spekulation.

Kai Kottenstede ist nicht nur Co-Vorsitzender der SPD Frohnau und Büroleiter von Innensenatorin Iris Spranger, sondern auch einer der ersten Unterzeichner von „Besser mit uns“, innerhalb von einem Tag haben knapp 150 weitere Sozialdemokraten unterschrieben. „Wir wollen auf Augenhöhe kommen mit den Jusos und ihren Mitstreitern. Wenn nur die einen laut sind, gehen die Argumente der anderen unter“, sagt er im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Für Kottenstede ist klar: „Es ist unser Anspruch deutlich zu machen: Wir sind mehr.“ 

Bei den bisherigen SPD-Partnern werden der Koalitionsvertrag und der Umgang der Partei damit kritisch bewertet. Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) appelliert an die Mitglieder, das Bündnis scheitern zu lassen. „Es gilt mehr denn je: Wenn die SPD-Basis der CDU einen Korb gibt, stehen danach alle Türen offen, um die bestehenden progressiven Mehrheiten erneut an einen Tisch zu holen“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Ihre Kabinettskollegin Bettina Jarasch – stellvertretende Regierungschefin, Verkehrssenatorin, im Rennen ums Rote Rathaus wiederholt gescheiterte Spitzenkandidatin und dennoch frischgekürte Fraktionschefin in einer Person – hat dagegen offenbar jede rot-grün-rote Hoffnung aufgegeben. „Ich stelle mich auf Opposition ein“, sagte die Grüne am Dienstag im Inforadio des RBB.

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Und schon war auch sie in den Innereien der SPD angelangt. Deren Vorsitzende hätten die Partei gespalten, so Jarasch: „Das tut mir leid um die SPD. Ich glaube, irgendwann wird sie sich komplett neu aufstellen müssen, aber das ist ein Problem der SPD.“

Mal sehen, wie eine solche Mischung aus womöglich ehrlicher Besorgnis, in jedem Fall aber unerbetener Ratgeberei bei der SPD ankommt.