In einer blühenden Vintage-Kultur sind Flohmärkte das letzte Glied in der Kette. Alles, was man nicht auf Secondhand-Portalen losbekommt, was kein Laden mehr ankaufen und niemand geschenkt haben will, findet seinen Weg auf einen der unzähligen Berliner Flohmarktstände. Schnäppchen sucht man an diesen Orten leider vergebens. Stattdessen gibt es Gedränge, Suff und Ramsch.
Wohl dem, der kleine Märkte in stillen Wohnvierteln kennt, denn dort gibt’s noch den schicken alten Mantel von der Oma oder schönes Porzellan aus Familienbesitz zu kaufen. In den zentralen Vierteln wie Prenzlauer Berg oder Friedrichshain aber dominieren die großen Trödelveranstaltungen, auf denen alles andere, nur keine seltenen Schätze zu finden sind. Die schlimmsten Flohmärkte im Überblick:
1. Flohmarkt am Mauerpark: Banausen und Touristennepp
Ein T-Shirt von Kik, ein Handy von Aldi, eine Lampe von Ikea: So ein deutscher Flohmarktstand ist schon eine traurige Angelegenheit. Oft kann man sich gar nicht vorstellen, dass dieser Schrott noch bis vor kurzem in Benutzung gewesen sein soll. Wie müssen nur die Wohnungen aussehen, in denen das mal drin war!
Gerade der Flohmarkt am Mauerpark scheint ein Magnet für Banausen zu sein, in deren Apartments sich kaum Wertiges befindet. Schier endlos reihen sich hier Stände aneinander, an denen Billigprodukte in ungenügendem Zustand feilgeboten werden. Und genauso selbstbewusst, wie die Ware präsentiert wird, ist auch die Preisgestaltung. Schnäppchen macht man hier schon lange keine mehr.
Früher war das anders. Als es noch nicht so viele Vintage-Portale im Internet und weniger Fast-Fashion-Filialen in der Stadt gab, fand man hier auf dem ehemaligen Mauerstreifen bisweilen noch echte Designerkleidung. Das war auch nicht immer günstig, aber es waren gute Sachen.

Den Flohmarkt am Mauerpark gibt es seit mehr als zwanzig Jahren, inzwischen ist er einer der größten in Berlin. Die Wege wurden befestigt, die Standpreise erhöht – und die Touristen lieben es. Es gibt ja neben dem Schrott der Berliner auch selbstgemachte Seifen oder Marmeladen, die man den Daheimgebliebenen mitbringen kann.
Langzeitberliner haben diesem Flohmarkt längst den Rücken gekehrt, sie verbringen ihre Sonntage lieber woanders. An einem ruhigen Ort, an dem kein Gedränge herrscht, sie nicht schon am Vormittag den Alkoholatem Fremder riechen müssen und ihnen der Anblick des hässlichen Wohnungsinhalts der anderen erspart bleibt: zu Hause. Sabine Röthig
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2. Antik- und Buchmarkt am Bode-Museum: Alpakawolle überall
Dieser Markt ist genau so, wie der Name klingt: zum Einschlafen. Mit einer schönen Kulisse im Hintergrund verteilen sich am Samstag und Sonntag ein paar Stände und rund 60 Händler am Bode-Museum und bieten hauptsächlich Krempel an, der ansonsten in Antiquariaten verstaubt: olle Schwarten, Platten, die kein Mensch mehr hört, und prötteligen Schmuck, der sehr an den der Bundeskanzlerin a.D., Angela Merkel, erinnert, die ja unweit von hier eine Wohnung hat.
Flott ist hier also nichts, auch nicht das zusammengelötete Kunsthandwerk, das in Folge am Hals einer Sozialkundelehrerin aus Sindelfingen seinen Weg aus der deutschen Hauptstadt in die westdeutsche Provinz findet. Natürlich im Doppelpack mit labbrigen Socken aus Alpakawolle, Untersetzern aus Filz und selbstgezogenen Kerzen. Irgendwo dudelt eine Dixieland-Klarinette, und wer mag, der lässt sich hier zu horrenden Preisen Trödel andrehen, der dann daheim in einer Regalecke verstaubt.

Schwärmerisch vom Hauptstadtportal berlin.de als „einer der schönsten Flohmärkte Berlins“ bezeichnet, lockt der Flohmarkt auf der Museumsinsel wohl primär Touristen nach oder vor dem Museumsbesuch an. Berlinerinnen und Berliner meiden ihn in der Regel. Marcus Weingärtner
3. Flohmarkt am Arkonaplatz: Kein Geheimnis mehr
Wenn die Frage im Raum steht, welcher Berliner Flohmarkt denn nun der beste sei, kommt in den meisten Fällen folgende Antwort: „Auf jeden Fall der am Arkonaplatz!“ Es sei ein echter Geheimtipp; ein Hauptstadt-Kleinod, das es vor zugezogenen Mauerpark-Besuchern und Touristen zu bewahren gelte.
Nun, leider ist der Geheimtipp schon längst nicht mehr so geheim, wie viele behaupten. Sondern in aller Munde und vor allem bei gutem Wetter völlig überlaufen.

Zugegeben, die Größe des Marktes, das Angebot, die kiezige Atmosphäre und das Publikum machen den Hype durchaus nachvollziehbar. Doch leider gibt es, wie auf Weihnachts- und Wintermärkten, auch auf Flohmärkten nichts Schlimmeres, als sich durch Menschenmassen zu schieben und ständig die Schuhspitzen von irgendwelchen Doc Martens oder Adidas Samba in den Hacken zu spüren.
Wenn man das doch nur mal in den unzähligen Instagram-Storys teilen würde. Dann gäbe es die realistische Chance, dass der Flohmarkt am Arkonaplatz wieder zu dem Kleinod wird, das er einmal war und dessen Ruf er immer noch genießt – nur schade, dass überfüllte Plätze auch bei Sonnenschein nicht so instagramable sind. Und so müssen wir leider auch diesen „Geheimtipp“ abreißen. Enno Kramer
4. Pflanzentauschbörsen und Kinderflohmärkte: Welke Aussichten
Jeder, der Kinder hat, weiß es: Die Kleinen können sich eigentlich von gar nichts trennen. „Mama, damit spiel’ ich noch“, schallt es empört aus dem Mund des Siebenjährigen, tastet man seine Duplo-Steine an, die seit vier Jahren in einer Box versauern. Einige aufräumwütige Eltern schaffen es mit der Aussicht auf ein zusätzliches Taschengeld, den Nachwuchs dennoch vom Flohmarkt zu überzeugen.
Das Ergebnis ist ein auf einer bunten Decke verteiltes trauriges Sammelsurium von verschrabbelten Saurierfiguren, armlosen Puppen und zerfledderten Büchern. Unglücklich dreinblickende Kinder rufen überteuerte Preise auf, die spiegeln, wie schwer ihnen der Abschied fällt. Der siebenjährige Kinderflohmarktbesucher indes findet fünf Euro für den ollen T-Rex voll okay und bettelt so lange, bis er in seiner Tasche landet. Irgendwann müssen auch wir einen Flohmarktstand machen, darauf läuft es hinaus. Ein Kreislauf, der niemals endet.

Noch trauriger als Kinderflohmärkte sind nur Pflanzentauschbörsen. In Berliner Kleingartenanlagen werden vor sich hin mickernde Tomatensetzlinge auf eilig herbeigeschafften Bierbänken drapiert, dazu ein paar welke Staudenableger, schwer identifizierbares Saatgut und Blumen, die so auch am nächsten Wegrand wuchern. Die schönsten Pflanzen hat der Gärtner schon ins eigene Beet gesetzt, den übrig gebliebenen Pröttel können die anderen haben. Rette sich, wer kann! Anne Vorbringer
5. Nowkölln Flowmarkt am Maybachufer: Neukölln ist nicht Bullerbü
Weiß eigentlich irgendjemand, warum ausgerechnet Friseurinnen und Friseure so ein vermeintlich lustiges Völkchen sind? „Haarmonie“, „Haarscharf“ und „Hairberge“, „Schnipp-Schnapp“ und „Kaiserschnitt“ – auch in Berlin übertrumpfen sich die Salons mit dummdödeligen Namen. Ganz grundsätzlich sollten einen solche Wortspielereien skeptisch stimmen; meistens verbirgt sich dahinter ein dröger Betrieb, nichts Besonderes, der – Achtung, Wortspiel! – absolute „Durchschnitt“.
Ähnlich ist es auch mit dem Flohmarkt am Maybachufer, der zwar mit Frisuren nichts zu tun hat, sich aber betont lustig mit einem ebenso verspielten Namen schmückt. „Nowkölln Flowmarkt“ heißt er seit vielen Jahren – manchmal kommt der schlechte Scherz eben gleich im Doppelpack. „Now“ und „Flow“, das soll wohl eine kompromisslose Modernität und eine lässige Attitüde suggerieren, ein Epizentrum des berlinesquen Hipstertums.

Doch der ganz große Unterschied zu anderen Flohmärkten der Stadt lässt sich am Maybachufer dann doch nicht ausmachen: Hier versucht jemand ein abgetragenes Pailletten-Oberteil von H&M für 80 Euro an die Frau zu bringen, dort will jemand ein altes DDR-Alltagsgeschirr zu Meissner-Porzellan-Preisen weitergeben, dazwischen bieten verkrachte Grafikdesigner ihre unattraktiven Siebdruck-Entwürfe auf Jutebeuteln und T-Shirts an. Immerhin die Lage des Nowkölln Flowmarkt ist natürlich gut, auch wenn die Selbstbeschreibung auf der Webseite dann doch ein bisschen arg euphemistisch klingt: „Secondhand, Kunst, Musik und original Handmades“ würden dort am „idyllischen Maybachufer“ angeboten.
Doch wen’s auf dem Flowmarkt pressiert, der muss eben doch erst mal die Junkies aus der City-Toilette auf der anderen Straßenseite vertreiben, und wer verträumt über das trüb-braune Kanalwasser blickt, wird vor allem Müll und Ratten sehen. Idylle ist auch irgendwie anders. Immerhin das richtige Setting, um sich der Straßenmusikanten und Kiez-Blasorchester zu entledigen, die während des Flowmarkts immer wieder aufspielen: Wer als nächstes „Wonderwall“ ins knisternde Mikro jault, wird sofort im Dreckskanal versenkt! Manuel Almeida Vergara
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