Gastronomie

Berliner Restaurants strafen ab: Wer trotz Reservierung nicht kommt, muss zahlen

Gastronomen klagen über hohe Umsatzeinbußen durch sogenanntes No-show. Einige Restaurants haben deswegen Strafzahlungen eingeführt. Wann das rechtens ist und wann nicht.

Alles fertig, schön gedeckt – und die Gäste kommen einfach nicht: Restaurants wie das Berliner Cookies Cream steuern gegen.
Alles fertig, schön gedeckt – und die Gäste kommen einfach nicht: Restaurants wie das Berliner Cookies Cream steuern gegen.imago images

Neulich in Berlin: Das Wetter ist gut, die Familie aus der Heimat ist da. Am Abend will man essen gehen, es soll ein sonniger Tisch bei der Dicken Wirtin in Charlottenburg sein. Bei der Onlinereservierung macht ein Vorgang stutzig: Das Restaurant gibt nicht nur ein Zeitfenster aus – eineinhalb Stunden dürfe man am Tisch bleiben, heißt es in der Anmeldemaske –, auch zur Hinterlegung der Kreditkartendaten werden die Gäste aufgefordert.

Sollten sie am Abend ohne Absage nicht erscheinen, heißt es, werde die hinterlegte Karte mit einer Strafzahlung belastet: 200 Euro würden dann fällig. So wie sich die Zeitfenster, die ein Versacken der Gäste verhindern und für die Restaurants die Möglichkeit bieten sollen, einzelne Tische an einem Abend mehrfach zu belegen, auch in Deutschland allmählich durchsetzen, scheint sich ein ähnlicher Prozess bei sogenannten No-show-Gebühren zu vollziehen.

In vielen anderen Ländern, allen voran die USA, ist dieses Prozedere längst gängig: Gästen werden Zeitfenster zwischen eineinhalb und drei Stunden eingeräumt, Nichterscheinen wird mit teils hohen Strafen geahndet. Dafür, dass dies künftig auch in Deutschland häufiger passiert, spricht die zunehmende Verlagerung der Tischreservierung ins Digitale.

Die Möglichkeit der Onlinebuchung erleichtert Betreiberinnen und Betreibern von Restaurants eigentlich das tägliche Geschäft: keine langwierigen Telefonate mehr, kein Blättern in Kalendern, Reservierungen können besser organisiert werden, es kommt weniger oft zu Missverständnissen.

Doch die Onlinebuchung hat auch ihren Preis: Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) NRW verstärke die Anonymität der digitalen Buchung auch das Phänomen No-show: Gäste, die ihre Reservierung nicht wahrnehmen, ohne abzusagen.

Die Folge: Leere Tische, die eigentlich von anderen zahlenden Gästen hätten besetzt werden können. Es komme zu erheblichen Umsatzeinbußen, meldet der DEHOGA in Nordrhein-Westfalen; sehr wahrscheinlich, dass es in Berlin und anderen Bundesländern ähnlich aussieht. Die Betreiber des digitalen Restaurant-Management-Systems Alego zitieren Billy Wagner, der in Berlin das Gourmetrestaurant Nobelhardt & Schmutzig führt. Demzufolge könne es zu Umsatzverlusten in Höhe von etwa 6000 Euro im Monat kommen – wenn nichts dagegen getan werde.

Das Prozedere haben vor allem Gourmetrestaurants für sich entdeckt

Dementsprechend hat auch das Nobelhardt & Schmutzig, ähnlich wie die Dicke Wirtin, schon vor längerer Zeit eine Strafzahlung im Fall der Fälle eingeführt: Werde ein Tisch nicht 48 Stunden vor der Reservierungszeit abgesagt, so heißt es bei der Onlinebuchung, fielen 175 Euro Strafe pro Person an. Ähnlich handhabt es der Sternekoch Tim Raue, der in seinem Restaurant um eine Stornierung bis 24 Stunden vor dem Reservierungstermin bittet und sonst eine Ausfallzahlung von 168 Euro pro Person erhebt; im vegetarischen Sternerestaurant Cookies Cream sind es 80 Euro pro Person.

Dass gerade Gastronomien aus der gehobenen Preisklasse dieses Prozedere für sich entdecken, passt zur Meldung der DEHOGA in Nordrhein-Westfalen: „Es betrifft vor allem Restaurants im mittleren und höheren Preissegment, die wenig Laufkundschaft haben“, sagt Pressesprecher Thorsten Hellwig. Hinzu kommt, dass nicht nur die Umsatzeinbußen bei leeren Tischen in einem Nobelrestaurant höher sind – auch die eingekauften hochwertigen Lebensmittel, die dann gegebenenfalls nicht verarbeitet werden, schlagen extremer zu Buche. Zudem sind bei vielen Gourmetrestaurants nur Mehrgangmenüs vorab reservierbar, die teils schon einige Zeit vor dem Restaurantbesuch der Gäste vorbereitet werden.

Rechtens ist das System mit den Strafzahlungen gerade in diesem Fall: In Onlineartikeln sprechen Juristinnen und Juristen von einem „vorvertraglichen Schuldverhältnis“ zwischen Gast und Gastronom, wenn ein Menü vorbestellt wurde. Laut §311 des Bürgerlichen Gesetzbuches handelt es sich um eine „Vertragsanbahnung“; der voraussichtliche Vertrag würde im No-show-Fall von einer Seite – dem Restaurant – eingehalten und von der anderen nicht.

Die Betreiber des Restaurants, das vergeblich auf seine Gäste gewartet hat, könnten den entstandenen „Vertrauensschaden“ sodann geltend machen. Bestehe hingegen eine einfache Tischreservierung ohne vorige Menüauswahl, würde noch kein Vorvertrag geschlossen. Gerade in diesem Fall komme es auf eine klare Regelvereinbarung im Vorhinein an; etwa in den AGB, denen Gäste bei der Onlinereservierung zustimmen müssen.

Ohnehin raten Branchenvereine und -portale zu klaren Regeln, um Unstimmigkeiten zu vermeiden. Das Portal „G wie Gastro“ zum Beispiel schlägt für besondere Anlässe wie Weihnachten und Silvester, an denen No-shows besonders ärgerlich sind, einen Kartenvorverkauf vor. Ferner sollten Gastronomen auch auf einen Lerneffekt setzen, der nicht nur Strafen, sondern auch Belohnungen vorsieht. Wer pünktlich komme, so das Portal, könne etwa mit einem Glas Sekt oder einem Gruß aus der Küche verwöhnt werden.

Und: Betreiberinnen und Betreiber von Restaurants sollten 30 bis 45 Minuten warten, bis sie wirklich von einem Nichterscheinen der Gäste ausgehen könnten. Dieses Zeitfenster basiert zum einen auf Erfahrungswerten und stimmt zum anderen auch mit der Rechtslage überein, heißt es bei „G wie Gastro“. Denn auch der Gast habe ein Anrecht auf seinen reservierten Tisch. Laut Rechtsprechung dürfe er auch bei 20 bis 30 Minuten Verspätung davon ausgehen, dass der Platz frei gehalten würde.