Man könnte glatt neidisch werden: Während die deutsche Hauptstadt auf der Stelle tritt, hängen polnische Städte Berlin in Sachen Innovation und Unternehmertum ab. Damit sind nicht nur ökonomischen Zentren wie Warschau und Danzig gemeint, sondern gerade auch die südpolnische Stadt Krakau, die hierzulande vor allem mit ihrer umwerfenden Altstadt und der tausend Jahre alten Geschichte in Verbindung gebracht wird. Der wirtschaftliche Aufschwung Krakaus blieb vielen Deutschen fast unbemerkt. Das muss sich ändern.
Insbesondere in den vergangenen fünf Jahren hat die Stadt eine Entwicklung hingelegt, die sprachlos macht: Die Bevölkerung stieg von circa 779.000 Einwohnern im Jahr 2020 auf 810.000 im Jahr 2025 – ein Wachstum von über vier Prozent. Die Zahl der registrierten Unternehmen wuchs im gleichen Zeitraum von etwa 190.000 auf 226.163 – ein Plus von 19 Prozent; das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt im Unternehmenssektor stieg von etwa 1600 Euro auf 2500 Euro; speziell die IT-Branche boomt. All das sind Entwicklungszahlen, auf die Krakau stolz sein kann.
Vom kometenhaften Aufstieg der Wirtschaftsmetropole profitieren alle: die Bevölkerung, die Unternehmer, die Touristen. Das Zentrum erstrahlt in neuem Glanz; man sieht kaum unrenovierte Gebäude in der Altstadt; die Ufer-Promenade an der Weichsel und die vielen Parks wurden aufgehübscht; die Restaurant- und Bar-Szene explodiert und bietet neben polnischen Klassikern eine wachsende Auswahl an internationalen Angeboten. Es eröffnen nahezu monatlich neue Hotels und Gastronomie-Betriebe. Ein Besuch in Krakau lohnt sich auch deshalb: Die Qualität der Restaurants hat Weltniveau erreicht, die Preise sind aber immer noch – aus deutscher Perspektive gesehen – bezahlbar. Einen Trip nach Krakau sollte jeder Genussmensch also unbedingt einplanen.

Die Altstadt: Ein Spaziergang
Wer nach Krakau reist, muss auf jeden Fall als Erstes die Altstadt und den alten Marktplatz sehen und auf sich wirken lassen. Mit seinen 40.000 Quadratmetern zählt der Platz zu den größten mittelalterlichen Zentren Europas. Während des Krieges wurde er, wie auch viele andere Teile der Stadt, kaum zerstört. In der Mitte erhebt sich die Tuchhalle (Sukiennice), einst Zentrum des Tuchhandels, heute ein Ort für Kunsthandwerk. Daneben wacht die Marienkirche aus dem 13. Jahrhundert mit ihren ungleichen Türmen über das Treiben – jede Stunde ertönt von dort der Hejnał, das Trompetensignal, das abrupt abbricht und an die mongolische Belagerung Krakaus erinnert. Wer über den Marktplatz schlendert, wird sich sofort in die Stadt verlieben.
Das Besondere: Die Altstadt ist nicht nur Hauptanziehungspunkt für Touristen, sondern auch für die etwa 130.000 Studenten, die in Krakau leben. Der Mix aus lokalen Restaurants, Cocktail-Bars, Studentenkneipen, Jazz-Kellern, Gourmet-Küchen und Milchbars macht diese Stadt so einzigartig. Jeder findet etwas für sich. Zum Übernachten empfehle ich das neue (und preiswerte) Fünf-Sterne-Design-Hotel Balthazar in der Nähe des Markplatzes.
Unbedingt probieren müssen Sie das Restaurant Wesele, wo man im gemütlichen Speisesaal direkt auf den Marktplatz blickt (Rynek Główny 10). Das Restaurant ist im klassisch-polnischen Stil charmant eingerichtet und verbindet traditionelle polnische Kulinarik mit modernen Elementen. Die Gerichte bestechen durch beste Zutaten und sind dennoch vergleichsweise preiswert. Probieren Sie unbedingt die selbstgemachten Piroggen oder das Heilbutt-Filet. Speisen zum Niederknien.
Gleich gegenüber finden Sie außerdem das Restaurant Szara Gęś (zu Deutsch: die graue Gans). Die Küche spezialisiert sich auch auf polnische Gerichte und setzt auf Ganskreationen: Foie Gras, Gänsekeule, Piroggen mit Gänsefleisch. Himmlisch! Das Restaurant Szara Gęś befindet sich in einer historischen Krakauer Altstadtkammer mit gotischem Kreuzgewölbe. Das Design erinnert an moderne Opern-Kulissen und verbindet Eleganz mit dem Charme historischer Architektur. Das Auge isst hier mit.

Wer es etwas gehobener mag, der sollte das Restaurant Trzy Rybki besuchen. Es gehört zu den renommiertesten Gourmet-Adressen der Stadt und befindet sich im eleganten Hotel Stary, einem Fünf-Sterne-Hotel im Herzen der Altstadt (ul. Szczepańska 5). Die Küche basiert auf traditioneller polnischer Kochkunst, die saisonal und kreativ interpretiert wird.
Die Köche um den Chefkoch Michał Droździk beglücken hier die Gaumen der Besucher mit Minimalismus und konzentrierten Aromen, inspiriert von polnischer Kochtradition und Elementen exotischer Küche. Bei einem Besuch erfahren wir, dass das Küchenpersonal die frischen Zutaten auf den Marktplätzen der Stadt besorgt, etwa auf dem Nowy Kleparz“, dem Obst- und Gemüsemarkt im Norden der Stadt. Jeden Samstag kommen hier Kleinbauern aus den umliegenden Dörfern herbeigefahren und bieten ihre lokalen Waren an. Auf dem Wochenmarkt lassen sich die besten Köche Krakaus inspirieren, so auch jene aus dem Restaurant Trzy Rybki. In dem Gourmet-Restaurant bekommt man perfekte Piroggen mit Steinpilzen serviert, Jakobsmuscheln mit Ananas und Chili, Wolfsbarsch mit Mais und Tomaten und die traditionelle polnische Ente mit Kirschen und Radicchio. Die Qualität ist umwerfend. Außerdem verfügt das Restaurant über eine Sommerterrasse mit herrlichem Blick auf die Altstadt. Ohne Zweifel: ein Restaurant auf Weltniveau.

Zum Essen treffen wir Grzegorz Soszyński, den Chef der Kraków Tourism Alliance. Er bestätigt bei Champagner und Hummer-Häppchen die rasante Entwicklung der Stadt, während er von der Hotel-Terrasse auf das Treiben auf dem Marktplatz blickt. „Krakau hat sich in den vergangenen Jahren positiv verändert“, sagt er zufrieden. „Es kommen immer mehr Besucher in die Stadt, aus allen Ländern der Welt, aktuell vermehrt aus dem arabischen Raum wie Dubai. Auch Engländer kommen. Viele Westeuropäer wundern sich, wie modern Polen geworden sind. Unsere Infrastruktur ist oft besser als im Westen.“ Die Erklärung? Die Polen sind fleißig und erfolgsbesessen.
Für Soszyński ist die Altstadt immer noch der magischste Anziehungspunkt von Krakau. Neben den exzellenten Restaurants sind die sehenswerten Museen zu nennen. Das Unterirdische Museum am Marktplatz in Krakau etwa ist ein touristisches Highlight. Es befindet sich direkt unter dem Hauptmarkt und zeigt multivisuell und durch lokal ausgegrabene historische Artefakte die Geschichte des mittelalterlichen Krakau und des Marktplatzes, der im Jahr 1257 nach Magdeburger Recht angelegt wurde. Ein schöner Kontrast ist der Bunkier Sztuki, eine städtische Galerie für zeitgenössische Kunst. Die Kunstgalerie befindet sich am Rand der Stadtmauer, direkt neben dem Planty-Park, und besticht durch eine markante Fassade aus Sichtbeton – ein architektonisches Beispiel für osteuropäischen Brutalismus. Die Galerie, 1965 eröffnet, bietet mitunter die interessantesten Ausstellungen der Stadt.

Old School Schick
Krakau – das sind nicht nur fancy Restaurants, das sind auch Kultur und eine vitale Underground-Szene. Meine Lieblingsjazzbar heißt Piwnica pod Baranami (Rynek Główny 27). 1956 von Piotr Skrzynecki als literarisches Kabarett gegründet, wurde der Jazzkeller schnell zu einem Zentrum für Künstler, Intellektuelle und Bohemiens in Polen. Bis heute treten hier im Kellergewölbe die besten Jazzmusiker des Landes auf. Ein Besuch in der Harris Piano Jazz Bar lohnt sich ebenso (Rynek Główny 28).
Probieren Sie außerdem in dem netten Lokal Dzikie Wino Wine Bar (Rynek Główny 27) ein Glas Wein aus Polen, gerade die Weißweine sind von herausragender Qualität. Bestellen Sie sich zum Beispiel ein Glas Solaris von der Winnica Turnau aus Nordpolen oder ein Chardonnay der Winnica Srebrna Góra, die bei Krakau liegt. Exzellenten Kaffee gibt es im Camelot Café in der Straße Świetego Tomasza 17, nur wenige Schritte vom Hauptmarkt entfernt. Das Gebäude war einst ein Bordell und später Filmkulisse für den Kultstreifen „Awantura o Basię“. Heute beherbergt das historische Gebäude neben dem Café auch den Theaterkeller Loch Camelot, wo regelmäßig Konzerte und literarische Veranstaltungen stattfinden. Wer lokales Craft Beer mag, der muss die Mulit Qlti Tap Bar besuchen (Szewska 21). Und wer einmal so feiern möchte wie in Zeiten des Kommunismus, also zu Schlagermusik und Wodka, der geht in den Kult-Club Feniks (Świętego Jana 2). Doch Vorsicht: Der ist nichts für schwache Nerven!
Auf dem Marktplatz findet man aber nicht nur polnische Lokale. Die Szene wird vielfältiger und wächst. Wer richtig gut international essen möchte, der muss dem Steakhouse Huma Parrilla Concept Bar einen Besuch abstatten (Grodzka 44). Dort bekommen Sie fantastisches gegrilltes Fleisch geboten, wahlweise aus den USA, Japan, Spanien oder Polen. Vergleichen Sie die Fleischqualität, Sie werden überrascht sein und sich zwangsweise die Frage stellen, warum es solche hervorragenden Fleisch-Restaurants nicht häufiger auch in Berlin gibt.
Kazimierz
Der Marktplatz ist großartig, aber fast noch charmanter ist Kazimierz, das jüdische Viertel von Krakau. Der Stadtteil, nur wenige Gehminuten vom Marktplatz entfernt, ist ein pulsierender Ort zwischen Geschichte und Gegenwart, Zentrum des Nachtlebens und der besten Bars der Stadt. Verfallene Fassaden erzählen von vergangenen Zeiten, während hippe Kneipen, Galerien und Cafés neues Leben in die alten Mauern hauchen. Hier treffen Synagogen auf Street Art und Klezmermusik auf elektronische Beats. Die Architektur wirkt kleinteiliger, gemütlicher als im Zentrum, die historischen Bauten sind oft nur wenige Stockwerke hoch. Auch hier haben sich in den vergangenen Jahren hervorragende Restaurants und Hotels angesiedelt.

Sehr empfehlen kann ich das Designhotel Puro Kazimierz. Schlendern Sie durch die kleinen Gassen, gehen Sie abends in eine Bar, etwa in die Underground-Kneipe Alchemia, 1999 als Rocker-Bar gegründet, heute ein Treffpunkt für Krakaus Intelligenzija.
Essen Sie, wenn Sie angeheitert sind, eine Zapiekanka am Plac Nowy: Dort befindet sich der sogenannte Okrąglak, eine kreisförmige Markthalle mit Fensteröffnungen, wo Zapiekanki, polnische überbackene Baguettes, angeboten und den Hungrigen für wenig Geld aus den Fenstern gereicht werden.

Wer lieber Israelisch essen will, der sollte das Restaurant Hamsa mit traditioneller Küche besuchen (Szeroka 2) oder das Restaurant Noah mit eher moderner Küche (Beera Meiselsa 24). Wer Naturwein mag, bekommt hochwertige Tropfen zu gutem Essen im Restaurant Karakter (Brzozowa 17); ein kleiner Geimtipp. Auch sehr zu empfehlen ist das Café Mostowa Sztuka Kawa, in einem schönen Hinterhof am Rand von Kazimierz gelegen (Mostowa 8).

Podgórze
Die Stadtteile von Krakau haben jeweils ihren eigenen Charakter. Machen Sie aber nicht den Fehler und verbringen Sie nur Zeit in den touristischen Hotspots. Schauen Sie sich auch Abseitiges an. Mein Tipp: Laufen Sie die Promenade an der Weichsel entlang und spazieren Sie über die 2010 eröffnete Bernatek-Fußgängerbrücke in Richtung Podgórze, in die ehemalige Vorstadt von Krakau, heute ein rasch sich gentrifizierender und hipper Stadtteil Krakaus, wo wohlhabende junge Familien in hübsch renovierten Altbauwohnungen wohnen.
Die Geschichte des Viertels hat aber auch düstere Elemente: Hier richteten 1941 die Nazis das jüdische Ghetto ein. Ganz in der Nähe befindet sich die ehemalige Emaillefabrik von Oskar Schindler, heute ein Museum, das die Geschichte Krakaus während der deutschen Besatzung von 1939 bis 1945 zeigt. Nach dem Krieg wurde Podgórze zu einem Arbeiter- und Wohnviertel umgestaltet. Noch vor fünfzehn Jahren galt der Ort als schmuddelig und sogar gefährlich, doch davon ist heute nichts mehr zu spüren.
Wunderbare Parks, hippe Restaurants und wunderschöne, gemütliche Cafés werden umringt von klassizistischen Fassaden und verbreiten eine geradezu mondän-wienerische Atmosphäre. Ein typisches Beispiel für den Wandel ist das südostasiatische Restaurant Luktung Southeast Asian Sharing Plates. Es kombiniert authentische südostasiatische Küche mit einem modernen Sharing-Konzept. Neben guter Küche und dem neu gestalteten Bednarski-Park beherbergt Podgórze das weltberühmte Mocak-Museum, eines der wichtigsten modernen Museen für zeitgenössische Kunst in Polen.
Apteka Designu, Wesoła, Krakow
Wie schnell sich Krakau wandelt, kann man in allen Stadtteilen beobachten. Der Stadtteil Debniki blüht auf – das Café Krolowa Przedmiescie gehört wohl zu den coolsten Orten Europas, oder auch der Stadtteil Wesoła. Besuchen Sie dort unbedingt die Apteka Designu, ein innovatives Zentrum für Design und Stadtentwicklung, das sich in einem ehemaligen Apothekengebäude des Universitätsklinikums an der ul. Kopernika 19A befindet.
Die sogenannte Design-Apotheke (einst eine echte Apotheke, heute Konferenz- und Coworking-Space) wurde im Rahmen der Revitalisierung des Stadtteils Wesoła gegründet und ist Teil einer größeren städtischen Strategie zur Umnutzung der ehemaligen Krankenhausgebäude in dem Stadtteil. Im ehemaligen Psychiatrie-Gebäude soll ein Literaturhaus entstehen, weitere Projekte sind geplant. Die Revitalisierung des ehemaligen Krankenhausgeländes ist ein Beweis für die kreative Kraft der Stadt, für den Innovationsgeist und die kulturelle Energie, die in der Krakauer Stadtgesellschaft vibriert. Besuchen Sie zum Abschluss die trendige Wesoła Immersive Bar (Mikołaja Kopernika 17A) und lassen Sie sich von der Energie der Stadt begeistern. Ich verspreche: Sie werden wiederkommen wollen.

Hotels: Das Fünf-Sterne-Design-Hotel Balthazar Design ist sehr zu empfehlen (etwa 200 Euro pro Nacht), https://balthazarhotel.com/de/. Außerdem: Hotel Puro Kazimierz, etwa 150 Euro die Nacht, https://purohotel.pl/pl/krakow/krakow-kazimierz/.















