Sie war wahrscheinlich – wie Millionen von Menschen – für fünf, sechs Tage nach Rom gekommen. Petersdom, Kolosseum, Spanische Treppe und Pantheon. Die italienische Hauptstadt bietet schließlich viele historische Sehenswürdigkeiten, die weltweit bekannt sind.
Angekommen am nächsten Publikumsmagneten, dem berühmten Trevi-Brunnen vor dem Palazzo Poli, ignoriert die Touristin jedwede Warnschilder, übersteigt die Balustrade, klettert zu einer der Meerjungfrauen-Statuen herauf und befüllt ihre leere Flasche mit dem Brunnenwasser. Als ob es das Normalste der Welt wäre. In den sozialen Medien belächelt man den Vorfall, die Italiener hingegen sind entrüstet und kritisieren zunehmend den ausufernden Massentourismus in ihrem Land.
Selbst die Polizistin am Trevi-Brunnen wirkte hilf- und machtlos – obwohl sie eigentlich ein Bußgeld von bis zu 500 Euro verhängen dürfte. Gemütlichen Schrittes lief die Staatsdienerin zur Übeltäterin, mehrere Male pfiff sie ihr hinterher. Am Ende gab es ein kurzes Gespräch – eine Strafe für das Besteigen des fast 300 Jahre alten Brunnens bekam die Urlauberin allerdings nicht aufgebrummt.
Dabei hätte die Frau Hunderte der öffentlichen, kostenlosen Trinkwasseranlagen in Rom nutzen können. Am Ende gehen Polizistin und Urlauberin jeweils ihrer Wege. Der Vorfall ist symptomatisch für den unbeholfenen Kampf der italienischen Behörden gegen die Massen an Menschen an neuralgischen Punkten der Hauptstadt.
Aloof tourist trespasses to fill her water bottle in the Trevi Fountain. pic.twitter.com/tJfG40vbYA
— USA TODAY (@USATODAY) August 15, 2023
Stundenlanges Warten vor den Toren des Kolosseums, Sitzverbot auf der Spanischen Treppe oder Wildpinkeln an berühmten Statuen: In den vergangenen Jahren wurde der Regel-, Benimm- und Strafenkatalog für Rom immer größer. Mit Dolce Vita hat das nicht mehr viel zu tun. Aber man will sich in Rom gegen die „Gesetzlosigkeit“ des Massentourismus wehren. Geldbußen um die 500 Euro schrecken die Touristen jedenfalls nicht mehr ab.
Vorfälle wie jener am Trevi-Brunnen haben rapide zugenommen. Erst kürzlich gönnten sich eine deutsche Frau und ein nackter spanischer Mann dort ein Bad. Viele Touristen applaudierten den beiden und johlten ihnen zu. Alessandro Onorato, der römische Stadtrat für Großveranstaltungen, Sport und Tourismus, fordert nun, den Zugang zum Trevi-Brunnen einzuschränken. Er nannte die Vorkommnisse eine „Barbarei“ und eine „Verhöhnung des historischen und kulturellen Erbes unserer Stadt“.

Zwischenfälle wie diese haben laut dem Politiker nicht nur am Trevi-Brunnen Hochkonjunktur. Ein Brite wurde beispielsweise gefilmt, wie er seinen Namen in die Wände des Kolosseums eingravierte, in der Nähe der Spanischen Treppe kam es zu einer Schlägerei zwischen einer Touristengruppe und Rosenverkäufern, und von der Engelsbrücke pinkeln Jugendliche hin und wieder in den Tiber hinunter.
„Polizeistrafen und Appelle an den gesunden Menschenverstand reichen nicht mehr aus. Das ist nicht der Tourismus, den wir verdienen und brauchen“, sagte Onorato der Zeitung Corriere della Sera. Eine längerfristige Strategie scheint die Millionenmetropole jedoch nicht zu haben; in der Vergangenheit habe man schon etliche Vorgehensweisen und Strafen angekündigt – die Lage an den Hotspots habe sich jedoch nicht verbessert.
Auch außerhalb Roms häufen sich die Probleme
Und der Massentourismus macht an den Stadtgrenzen von Rom nicht Halt – ob in Mailand oder der Lombardei, im ligurischen Genua oder dem süditalienischen Neapel und Palermo. Anfang August zerstörten Touristen in der Lombardei eine Skulptur im Wert von 200.000 Euro, Neapel will die Zahl der Pizzerien im Stadtkern und der Sightseeing-Busse einschränken, und auch in Mailand hadert man mit einem ständig überfüllten Piazza del Duomo.




