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In Asien, wo geopolitische Allianzen sich derzeit ständig verändern, tritt ein wichtiger Faktor in den Vordergrund, der Washingtons Aufmerksamkeit erfordert: Indien ist die einzige große asiatische Volkswirtschaft, deren Handel mit den Vereinigten Staaten den Handel mit China übertrifft. Doch trotz wiederholter Versprechen einer „Hinwendung zu Asien“ seit 2011 bleibt das Engagement der USA uneinheitlich und widersprüchlich. Während Peking nun versucht, den ruhenden Block Russland–Indien–China wiederzubeleben, hat sich Neu-Delhi für strategische Unklarheit entschieden.
Aber Unklarheit kann nicht ewig andauern. Die konfrontative Haltung der Trump-Regierung, insbesondere die Einführung von Zöllen in Höhe von 50 Prozent, birgt die Gefahr, Indien in eine Richtung zu treiben, die Washington nicht gefallen dürfte. Nachhaltige strategische Partnerschaften erfordern mehr als symbolische Gipfeltreffen und Verteidigungsabkommen, sie beruhen im Wesentlichen auf gegenseitigem Respekt und nicht auf transaktionaler Zweckmäßigkeit.

Indiens Wirtschaft wächst rasant
Die jüngste Entscheidung von Präsident Trump, ab 1. August einen Zoll von 25 Prozent auf indische Importe zu erheben, gefolgt von einem zusätzlichen Zoll von 25 Prozent, der speziell auf Indiens Käufe von russischem Öl abzielt, eskaliert die Krise zwischen beiden Ländern. Seine Annahme, die indische Wirtschaft sei „tot“, ist deutlich von der Realität losgelöst; Prognosen zufolge wird Indien im Jahr 2025 ein robustes Wachstum von 6,5 bis 7 Prozent verzeichnen und damit alle anderen großen Volkswirtschaften der Welt übertreffen.
Während die Europäische Union, das Vereinigte Königreich, Japan, Südkorea und Taiwan als Reaktion auf die Zölle Verhandlungen mit den USA aufgenommen haben, bleibt Indien standhaft. Laut einer Erklärung des indischen Außenministeriums hat sich Neu-Delhi erst dann russischem Öl zugewandt, als traditionelle Lieferanten ihre Energielieferungen nach Europa umgeleitet hatten, wodurch für eine Bevölkerung von mehr als einer Milliarde Menschen nur noch begrenzt erschwingliche Energieoptionen zur Verfügung standen.
Indische Kommentatoren kritisieren Washingtons Fokus auf Indien, da die USA und ihre Verbündeten ihren eigenen Handel mit Russland fortsetzen. Die Vereinigten Staaten beziehen nach wie vor russisches Uran für ihre Kernkraftwerke und importieren Palladium und wichtige Chemikalien. Dennoch steht Indien im Zentrum der Kritik. Auf eine entsprechende Frage bei einer Pressekonferenz gab Präsident Trump keine Antwort. Unterdessen gibt der ehemalige US-Botschafter in Indien, Eric Garcetti, in einem mittlerweile viral gegangenen Video zu, dass Washington Indien dazu ermutigt hatte, russisches Öl unter einer Preisobergrenze zu kaufen, um zur Stabilisierung der globalen Märkte beizutragen.

Es kriselt zwischen Trump und Modi
Was ist aus der viel gepriesenen Freundschaft zwischen Trump und Modi geworden? Während ihrer ersten Amtszeiten wurden die bilateralen Beziehungen durch hochkarätige Besuche und Verteidigungsabkommen vertieft. Doch die jüngsten Entwicklungen deuten auf einen Kurswechsel hin. Dabei geht es möglicherweise weniger um russisches Öl als vielmehr um eine politische Neuausrichtung. Trumps wiederholte Behauptung, er würde sich für Frieden in Südasien einsetzen, wurde in Indien weithin als Einmischung in regionale Angelegenheiten angesehen – ein Vorwurf wiederum, der bei jeder Gelegenheit öffentlich zurückgewiesen wurde.
Grund für die Zäsur könnte auch die mögliche Entspannung in den Beziehungen zwischen den USA und Pakistan sein, insbesondere nachdem die neue pakistanische Krypto-Aufsichtsbehörde in World Liberty Financial investiert hat, ein Unternehmen, das Berichten zufolge mit der Familie Trump in Verbindung steht. Seit diesem Deal hat sich Trumps Rhetorik gegenüber Islamabad deutlich abgeschwächt.
Nun besteht die Gefahr, dass der Druck Washingtons Indien näher an China heranrücken könnte, was gleichzeitig die Indopazifik-Strategie der USA untergraben würde. Seit dem Zusammenstoß im Galwan-Tal im Jahr 2020 hat Indien chinesische Investitionen eingeschränkt, Apps verboten und den Zugang der Medien reduziert. China hat seinerseits die Mineralienexporte kontrolliert.
Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die Spannungen allmählich abnehmen. Der nationale Sicherheitsberater Indiens, Ajit Doval, und der Außenminister Subrahmanyam Jaishankar haben Peking besucht. Dass Premierminister Modi im September möglicherweise am Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organisation teilnimmt, könnte zu einer grundlegenden Veränderung führen.
China, das selbst mit Zollbelastungen (54 Prozent auf Importe in die USA) konfrontiert ist, sieht den riesigen Markt Indiens als Puffer gegen den Protektionismus der USA. Der bilaterale Handel, der 2024 bereits ein Volumen von 118 Milliarden US-Dollar erreicht hat, könnte weiter wachsen, wenn Indien die Beschränkungen für chinesische Investitionen lockert. Die Diskussionen über eine Wiederbelebung der Russland-Indien-China-Trilateralen haben sich intensiviert.

Indiens Handelsbeziehungen mit den USA bleiben Priorität
Trotz Anzeichen für ein erneutes Engagement im Rahmen des Russland-Indien-China-Projekts ist eine vollständige Neuausrichtung Indiens weiterhin unwahrscheinlich. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten sind zu bedeutend, um sie aufzugeben: 190 Milliarden US-Dollar bilateraler Handel, ein gemeinsames Ziel von 500 Milliarden US-Dollar und eine tiefe Integration in den Bereichen Pharmazeutika, Technologie und Fertigung. Die amerikanischen Märkte nehmen ein Drittel der indischen Pharmazeutika-Exporte auf und sichern Indiens wachsende Rolle in globalen Lieferketten, darunter auch bei der iPhone-Produktion.
Indiens langjähriges Misstrauen gegenüber China, das auf ungelösten Grenzkonflikten und Pekings Unterstützung für Pakistan beruht, behindert strategisch gesehen weiterhin eine tiefere Annäherung. Dem Block Russland–Indien–China fehlt es an der institutionellen Stärke und Zuverlässigkeit westlicher Partnerschaften, und die von Sanktionen betroffene Wirtschaft Russlands schränkt seine langfristige Nützlichkeit ein.
Indiens Außenpolitik, die von strategischer Autonomie geleitet wird, bevorzugt ausgewogene Beziehungen zwischen konkurrierenden Blöcken anstelle einer exklusiven Loyalität. Anstatt eine Kehrtwende zu vollziehen, würde Neu-Delhi wahrscheinlich auf Absicherung setzen und Freihandelsabkommen mit der EU, dem Vereinigten Königreich und anderen Ländern anstreben, um seine Handelslandschaft zu diversifizieren.
Trumps Zollkampagne birgt die Gefahr, einen wichtigen Partner zu isolieren, gerade zu einem Zeitpunkt, an dem Washington die Hilfe Neu-Delhis benötigt, um Pekings Einfluss im indopazifischen Raum auszugleichen. Selbst eine geringfügige Annäherung an China verwässert die strategischen Ziele der USA in der Region und schwächt die Quad-Gruppe, eine sicherheitspolitische Allianz zwischen den USA, Australien, Indien und Japan.
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Trumps Zölle mögen kurzfristig Vorteile bringen, aber sie bergen die Gefahr, langfristig Schaden anzurichten. Indien wird jetzt wahrscheinlich nicht nachgeben, sondern seine Strategie der Ausbalancierung der Großmächte noch verstärken. Eine der bedeutendsten Demokratien der Welt zu verprellen, wäre vonseiten der USA ein strategischer Fehler. Diplomatie, nicht Erpressung, bleibt der einzige gangbare Weg, um die Partnerschaft zu erhalten und eine unbeabsichtigte Neuausrichtung in Asien zu verhindern.



