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Während immer mehr Länder Israel kritisieren und Sanktionen fordern oder bereits umsetzen, unterstützen die Vereinigten Staaten von Amerika den Gaza-Feldzug und weitere Militäraktionen der Regierung Netanjahu unbeirrt und wie es scheint bedingungslos. Sonstige geopolitische Überlegungen spielen offenbar keine Rolle, die arabischen Nachbarn im Mittleren Osten und die islamischen Länder in Asien sehen die USA deshalb immer mehr als Feind Nummer eins. Selbst das traditionelle Misstrauen zwischen den überwiegend sunnitischen arabischen Staaten und dem schiitischen Iran wird dadurch relativiert. Für die Sicherheit Israels könnte das erhebliche Folgen haben, denn das Klima zwischen Saudi-Arabien und den USA sowie zwischen Ägypten und Israel hat sich deutlich verschlechtert.
Während in Deutschland die Zurückhaltung gegenüber Israel noch weitgehend von der Bevölkerung mitgetragen wird, fühlen sich die jüdischen Mitbürger zunehmend durch die Proteste der muslimischen Migranten bedroht. Das entfacht bei den Polizeieinsätzen gegen Palästina-Demonstrationen immer mehr Gewalt, an den Brennpunkten kann von öffentlicher Sicherheit und Ordnung nicht mehr die Rede sein. Zwischen der Netanjahu-Regierung und den Israelis, die gegen den Gaza-Feldzug und gegen weitere Siedlungen im Westjordanland eintreten, wird nicht mehr unterschieden.

Bis in den Kongress hinein einflussreich
Vor der Gründung des Staates Israel war die amerikanische Bevölkerung weitgehend antisemitisch eingestellt, Hunderttausende jüdische Flüchtlinge aus Europa wurden abgewiesen. Nach der den Novemberpogromen 1938 in Deutschland stieg die Zahl der Visaanträge auf mehr als 300.000, aber pro Jahr wurden nur 27.000 bewilligt.
Heute leben in den USA fast so viele Juden wie in Israel. Jüdische Organisationen wie die Anti Defamation League, das American Jewish Committee und vor allem das American Israel Public Affairs Committee sind nicht nur finanziell gut ausgestattet, sondern auch politisch bis in den Kongress hinein äußerst einflussreich.
Die Sonderbeziehung hat aber andere und noch weit einflussreichere Grundlagen, wenn auch noch nicht sehr lange. Sie sind aus den starken evangelikalen Erweckungsbewegungen der letzten Jahrzehnte erwachsen. Während Europa sich im gleichen Zeitraum zunehmend entchristianisiert hat und in Deutschland jedes Jahr Hunderttausende ihre Kirche verlassen, sind die zahlreichen christlichen Gruppierungen der USA höchst vital. Nur wer einmal die Gelegenheit hatte, dort an Gottesdiensten teilzunehmen, kann die spirituelle Intensität und das rege soziale Leben der Gemeinden ermessen.
Prediger wie der 2018 verstorbene Billy Graham erreichten nicht nur in den USA Hunderte Millionen von Gläubigen, vor allem als Televangelist durch den Einsatz von Radio, Fernsehen und Filmen. Durch Billy Graham und weitere Geistliche wurden protestantische Bewegungen aus dem 18. Jahrhundert wiederbelebt. Dabei ging es um die persönliche Erweckung als „born again Christian“, intensive Hingabe an Gott und Missionierung im privaten Umfeld. In einem Interview sagte Graham 1981, dass Gott den USA zwei zentrale Aufgaben zugeteilt habe, erstens die Verbreitung des Evangeliums und zweitens den Schutz Israels, seines auserwählten Volkes.

Netanjahu als Ehrengast
Jüdische Amerikaner haben den Aufbau Israels von Anfang an ideell und finanziell unterstützt, zumal die sogenannte „Alija“, die Rückkehr ins Land der Väter, in der gesamten jüdischen Diaspora weltweit als spirituelle und politische Pflicht propagiert wurde.
Ein weiterer bemerkenswerter Sprung im Empfinden und Verständnis für Israel unter den mehr als 78 Millionen evangelikalen Christen der USA entwickelte sich ab 1970. In diesem Jahr erschien das erste Buch des Televangelisten Harold Lee Lindsay unter dem Titel „Alter Planet Erde, wohin?“ Es erreichte eine Gesamtauflage von mehr als 35 Millionen Exemplaren und zahlreiche Übersetzungen. In Deutschland war es weitgehend erfolglos.
Attraktiv an Lindsays Ansatz war die aktuelle Bezugnahme der biblischen Prophezeiungen auf die aktuelle Gegenwart und den darin erkennbaren Plan Gottes für die Zukunft des Planeten. Die Wiederkehr Christi sei nur möglich, wenn Israel in dem Abraham von Gott versprochenen gelobten Land sicher sei, denn wiederkehren werde er nur nach Jerusalem. Davon hänge auch die Zukunft der Welt ab, denn nur wenn der Antichrist und das Böse im Endkampf „Armageddon“ besiegt seien, könne Jesus sein „Tausendjähriges Reich des Friedens“ errichten. Die Bibel betrachtet diesen Endkampf als unausweichlich und sieht Friedensbemühungen als nicht im Einklang mit Gottes Willen.
Damit war in den USA der „christliche oder evangelikale Zionismus“ auf eine breite populäre Grundlage gestellt. 2006 gründete der Pastor John Hagee die einflussreiche Dachorganisation „Christians United for Israel“ (CUFI) die heute mehr als zehn Millionen Mitglieder hat. In ihrer Jahreskonferenz 2017 erklärte Benjamin Netanjahu als Ehrengast, dass Israel keinen besseren Freund als die USA habe und umgekehrt. Zusammen stünden sie im Kampf für eine freie Gesellschaft und gegen den militanten Islam, der erst Europa und dann den Rest der Welt übernehmen wolle. CUFI sammelt sehr erfolgreich Spenden für Israel, mit denen unter anderem neue Siedlungen im Westjordanland unterstützt werden.

Europäische Waffenembargos werden so bedeutungslos
Diese spirituellen Verbindungen mit Israel schlagen sich auch in der offiziellen Außenpolitik der USA sichtbar nieder. Mehr als deutlich zeigt sich das in der militärischen Zusammenarbeit und in der offenbar bedingungslosen Unterstützung Israels bei den Aktionen der Netanjahu-Regierung, die vom Rest der Welt kritisiert und verurteilt werden. Der dafür ursächliche evangelikale Zionismus bleibt für Europäer kaum nachvollziehbar und noch weniger für die muslimische Welt.
Donald Trump bezeichnet sich selbst als konfessionslosen Christen, einer Kirchengemeinde gehört er nicht an. Als Präsident wirbt er aber für mehr Christentum und christliche Werte in den USA und vermarktet seit 2024 eine „God-bless-America-Bibel“, die ironischerweise in China gedruckt wird. Sie enthält auch die Verfassung der Vereinigten Staaten, die Unabhängigkeitserklärung, die ersten zehn Verfassungszusätze und den Treueschwur auf das Sternenbanner.


