Am Montag beginnt im Schweizer Davos das Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums. Nicht nur im offiziellen Rahmen wird es dabei auch um die beiden großen Kriege unserer Zeit – den in Gaza und den in der Ukraine – gehen. Bereits am Sonntag sollen abseits des Programms Perspektiven für einen dauerhaften Frieden in der Ukraine erörtert werden. An den Erfolgsaussichten des Treffens gibt es jedoch Zweifel.
Rund 120 nationale Sicherheitsberater von mehr als 80 Delegationen werden für das sogenannte Friedenformel-Treffen am Sonntag erwartet, teilte das Schweizer Außenministerium mit. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird persönlich vor Ort sein, wie in dieser Woche bekannt wurde. Es ist die erste Schweiz-Reise von Selenskyj seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor fast zwei Jahren. Das Friedensformel-Treffen, das bereits zum vierten Mal stattfindet, soll das bisher größte werden.
Russischer Botschafter: Gespräche in Davos haben „keinen Nutzen“
Allerdings gibt es durchaus Kritik am Format des Treffens. Russland, das nicht Teil der Runde ist, sieht die Gespräche als „bedeutungslos“, wie die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Marija Sacharowa, am Mittwoch betonte. Während Russland die diplomatische Ebene nie verlassen habe, blockiere der Westen andere Friedensinitiativen, indem er die ukrainische Friedensformel als alternativlos darstelle.
Grundlage der „Friedensformel“ ist ein Zehn-Punkte-Plan Kiews. Er sieht insbesondere den vollständigen Rückzug aller russischen Truppen aus dem Land vor. Darunter versteht die Ukraine nicht nur den Donbass und den Süden des Landes, sondern auch die 2014 von Moskau annektierte Halbinsel Krim. Gegenüber der Weltwoche hatte der russische Botschafter in der Schweiz, Sergej Garmonin, bereits am 3. Januar erklärt, er erwarte „keinen Nutzen“ von den Gesprächen in Davos, da die Teilnehmer „nicht mit den Russen, sondern über die Russen sprechen werden“.
Tatsächlich gehe es Kiew, so Außenamtssprecherin Sacharowa am Mittwoch, bei den Gesprächen am Rande des Weltwirtschaftsforums darum, „erneut zu versuchen, die Länder des globalen Südens und Ostens durch Täuschung und Erpressung auf ihre Seite zu ziehen“. Sie sei jedoch „überzeugt, dass sich unsere Partner in Asien, Afrika und Lateinamerika der tatsächlichen Lage bewusst sind und sich nicht in offen antirussische Initiativen hineinziehen lassen werden“.
Am Donnerstag berichtete die South China Morning Post, es sei noch nicht bekannt, ob der chinesische Ministerpräsident Li Qiang am Treffen in Davos teilnehmen werde. Bereits einem Geheimtreffen zur Friedensformel der Ukraine, das im Dezember im saudischen Riad stattgefunden hatte und über das erst vor kurzem berichtet wurde, war die Volksrepublik ebenso wie andere große Länder des globalen Südens ferngeblieben. Eine offizielle Erklärung für die Nichtteilnahme gab Peking nicht ab. Bei vorherigen Treffen in dem Format hatte sich China „aktiv beteiligt“, wie es aus europäischen Diplomatenkreisen hieß.
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Chancen auf Friedensverhandlungen gering – Brasilien will trotzdem an Treffen in Davos teilnehmen
Auch Brasilien war den Gesprächen in Riad im Dezember ferngeblieben – offiziell wegen Terminschwierigkeiten. Das südamerikanische Land setzt sich seit dem Amtsantritt von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva vor einem Jahr offensiv für Friedensverhandlungen zwischen Kiew und Moskau ein. Bereits mehrfach warnte Lula in der Vergangenheit, dass ein Friedensprozess beide Konfliktparteien miteinbeziehen müsse – und nicht unilateral von Kiew und dem Westen diktiert werden könne.
In dieser Woche kündigte die Regierung in Brasília an, am Treffen in Davos teilnehmen zu wollen. Vertreten wird Lula dort von Celso Amorim, ehemaliger Außenminister und heute Chefberater des Präsidenten. In einem Schreiben Amorims an die Teilnehmer des Treffens in Riad, aus dem die Onlineplattform Universo Online Anfang Januar zitierte, heißt es, „ursprünglich“ habe Brasilien trotz des „begrenzten Formats“ großes Potenzial in der Initiative gesehen. Dabei habe die brasilianische Regierung immer versucht, „den Dialog, ob direkt oder indirekt, zwischen den beiden Parteien zu fördern“.
Bislang allerdings ohne Erfolg. Im Schreiben beklagt Amorim: „Während der Konflikt in sein drittes Jahr geht, gibt es immer noch keine Öffnung für einen Dialog oder eine glaubwürdige Aussicht auf ein Ende der Feindseligkeiten.“ Dabei sei die Bereitschaft der Parteien zu Gesprächen von grundlegender Bedeutung für den Erfolg jeglicher diplomatischer Bemühungen. Trotzdem, heißt es in dem Schreiben, sei „Brasilien weiterhin entschlossen“, an dem Format teilzunehmen, „solange die Parteien Bereitschaft zu einem echten Dialog zeigen“.
Dass sich Kiew auf direkte Verhandlungen mit Moskau einlässt, ist allerdings unwahrscheinlich. Erst am Donnerstag warnte Selenskyj vor „Pausen“ bei der Verteidigung der Ukraine, da solche Russlands Angriff zugutekommen würden. Gleichzeitig geriet die westliche Unterstützung für Kiew in den letzten Monaten ins Stocken. Sowohl aus den USA als auch der Europäischen Union floss weniger finanzielle und militärische Hilfe als von der Ukraine erhofft.




