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Etatkürzungen in der Ernährungsbildung: Erneut trifft es die Schwächsten unserer Gesellschaft

Die Sparpläne für den Berliner Haushalt könnten für Vereine, die sich in Kitas und Schulen für eine nachhaltige Ernährungswende einsetzen, das Aus bedeuten.

Essgewohnheiten prägen sich schon im Kitaalter ein.
Essgewohnheiten prägen sich schon im Kitaalter ein.Getty Images/unsplash

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Gegen die Sparpläne des Berliner Landeshaushalts mehren sich die Proteste. Vor allem die Kulturschaffenden konnten durch zahlreiche prominente Unterstützer ein breites mediales Interesse wecken. Doch auch andere Akteure treffen die Streichungen von Fördergeldern unverhältnismäßig hart, etwa Vereine im Bereich der Ernährungsbildung wie „Restlos Glücklich“ und „Kate“.

Die Berliner Ernährungsstrategie der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz wurde im Koalitionsvertrag verankert und hatte sich zum Ziel gesetzt, eine fairere, nachhaltigere und regionalere Ernährungspolitik umzusetzen. Auf Landesebene wollte man als Vorbild dienen und einen signifikanten Beitrag zu den UN-Nachhaltigkeitszielen leisten.

Mit gerade einmal 2,227 Millionen Euro hatte der Etat der Berliner Ernährungsstrategie einen Anteil von lediglich 0,005 Prozent am Berliner Haushalt 2025 – eine überschaubare Summe, die man bereit war, in nachhaltige Ernährungspolitik zu investieren. Dennoch wurde auch hier der Rotstift angesetzt. Den ohnehin schmalen Etat traf es mit einem Einschnitt von fast 50 Prozent besonders heftig. Die übrig gebliebene Summe von 1,227 Millionen Euro entspricht gerade einmal noch 0,003 Prozent des Nachtragshaushalts. Zu wenig, um einen Fortbestand in der jetzigen Form zu sichern.

Kürzungen bedrohen Bildungsarbeit und Vereine

Doch welche Organisationen und Projekte sind hiervon betroffen? Einer der Hauptakteure der Berliner Ernährungsstrategie ist der gemeinnützige Verein Restlos Glücklich. Mit seinem Kitaprojekt „Bis auf den letzten Krümel“, das sich an Vorschulkinder und deren Familien sowie Fachkräfte im Elementarbereich richtet, leistet er wertvolle Bildungsarbeit. Essgewohnheiten und ein nachhaltiger, wertschätzender Umgang mit Nahrungsmitteln prägen sich schon im Kitaalter ein, die Projekte verfolgen eine langfristige Strategie.

Auch das Kiezprojekt „Die Berliner Ernährungscoaches/-lots*innen“ wäre massiv von den Kürzungen betroffen. Die angekündigten Sparmaßnahmen vom 22. November 2024 sind somit besonders kurzsichtig. Gleich mehrere Arbeitsplätze sind in dem Verein ab dem 1. Januar 2025 akut bedroht, laut Geschäftsführerin Edith Timm würde „die gesamte Umsetzung drastisch geschmälert“.

Berliner Grundschüler stehen während eines Bildungsworkshops von Restlos Glücklich an einem Tisch, auf dem Obst, Gemüse und Brot liegt.
Berliner Grundschüler stehen während eines Bildungsworkshops von Restlos Glücklich an einem Tisch, auf dem Obst, Gemüse und Brot liegt.Carina Kaiser/dpa

Der Wegfall kostenloser Angebote für Berliner Kitas und Kiezprojekte würde einen herben Rückschlag für die nachhaltige Ernährungsbildung bedeuten. „Wie soll die Ernährungswende gelingen, wenn wir nicht in den Familien und vor Ort in den Kiezen ansetzen?“, fragt sich Edith Timm. „Die kurzfristigen Kürzungen sind ein Schock für zivilgesellschaftliche Akteure wie Restlos Glücklich, die sich für eine nachhaltige Ernährungswende in Berlin einsetzen. Sie bringen uns in eine kritische wirtschaftliche, personelle und psychische Belastungssituation. Ob es den Verein Restlos Glücklich nach diesen Kürzungen noch gibt, wissen wir aktuell nicht“, führt Edith Timm weiter aus.

Und wie wichtig eine Sensibilisierung für das Thema ist, zeigt ein Blick in die Zahlen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beziffert die in Deutschland jährlich entsorgten Lebensmittelabfälle auf elf Millionen Tonnen. Durch mehr Wertschätzung und ein Bewusstsein für den dadurch verursachten enormen Ressourcenverbrauch könnte ein erheblicher Teil vermieden werden.

Edith Timm sieht aber nicht nur die hohe Intensität der Etatkürzungen als unverhältnismäßig an. Sie beklagt auch den Umgang und die Kurzfristigkeit, die sogar bereits bewilligte Projekte betrifft, für die schon Verträge geschlossen wurden. „Wir würden gerne von den Verantwortlichen hören, warum die Gelder gekürzt wurden und fühlen uns ziemlich allein gelassen.“

Die Lebensmittel-Expertin Nina Schröder von Restlos Glücklich bereitet während eines Bildungsworkshops für Kinder Apple Crumble zu.
Die Lebensmittel-Expertin Nina Schröder von Restlos Glücklich bereitet während eines Bildungsworkshops für Kinder Apple Crumble zu.Carina Kaiser/dpa

Ein weiteres Projekt, das die Etatkürzungen zu spüren bekommt, ist das „Pausenhofgeflüster – klimagerecht snacken lernen“, organisiert durch den Kate e.V. Es richtet sich an Grundschüler ab der 3. Klasse, die auf dem Schulhof spielend an verschiedenen Stationen an Themen wie Saisonalität, Regionalität, Boden, Wasser- und CO2-Fußabdruck sowie Verpackungen herangeführt werden. Laut Geschäftsführerin Kerstin Ramirez-Voltaire sind sie zwar weniger stark betroffen, aber „werden weniger Projekttage umsetzen können, mindestens fünf weniger“. Mehrere hundert Berliner Schulkinder könnten somit nicht mehr erreicht werden.

Dem Bereich Klima- und Umweltschutz wurde bei den Kürzungen insgesamt keine Priorität eingeräumt. Beim Etat der Berliner Ernährungsstrategie sind es zudem einmal mehr die Jüngsten und Schwächsten unserer Gesellschaft, bei denen besonders hart durchgegriffen wird. Sie haben keine Lobby im Hintergrund und schauen ohnehin in eine ungewisse Zukunft mit immensen Herausforderungen.

Tina Hoffmann hat an der FU Berlin Geschichte und Islamwissenschaft studiert und arbeitet seit 2020 als freie Autorin für zahlreiche Onlinemagazine wie familie.de, reisereporter.de und homeoftravel.de. Sie betreibt den Blog staycation.berlin und hat 2023 einen Ausflugsführer für Berliner Familien im via reise verlag veröffentlicht.

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