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Für die Kunst in Berlin kommt diese Gesetzesänderung genau zur rechten Zeit

Auch der Kunstbetrieb ist von den Sparmaßnahmen im Berliner Haushalt betroffen. Doch die anstehende Senkung der Umsatzsteuer lindert die Sorgen.

Ein Werk von Petrit Halilaj in der Galerie ChertLüdde
Ein Werk von Petrit Halilaj in der Galerie ChertLüddeMaurizio Gambarini/Funke Foto Service

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Ab dem 1. Januar 2025 reduziert sich die Umsatzsteuer für Kunst wieder von 19 auf 7 Prozent. Am 22. November dieses Jahres passierte die entsprechende Vorschrift im Jahressteuergesetz 2024 den Bundesrat, sodass sie zum Jahreswechsel in Kraft treten kann.

Wieder, weil bis 2014 schon einmal der entsprechend ermäßigte Steuersatz für alle gewerblichen Kunstverkäufe galt. Ab 2014 spaltete sich diese steuerliche Privilegierung dann zwischen Künstlern und Kunstverkäufern auf. Für Künstler galt weiterhin der niedrigere Steuersatz, für alle anderen der höhere. Das führte zu einer absurden Situation. Wenn ein Künstler ein Werk verkaufte, betrug der Steuersatz 7 Prozent. Wenn eine Galerie das gleiche Geschäft getätigt hätte, hingegen 19 Prozent. Die steuerliche Differenzierung wurde also nicht wie sonst üblich am Handelsgut festgemacht, sondern daran, wer es verkauft.

Wenn ansonsten von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Galerien und ihren Künstlern als essenzielle Grundlage ihrer symbiotischen Verbindung die Rede ist, trieb der Gesetzgeber mit dieser differenzierten Besteuerungspraxis einen Keil zwischen beide und machte sie zu Konkurrenten. Denn für Künstler wurde es ungemein attraktiv, unter Umgehung ihrer Galerien, mit denen sie sich üblicherweise den Verkaufspreis teilen, direkt aus ihrem Atelier heraus zu verkaufen. Da sie vom Verkaufspreis erheblich weniger Umsatzsteuer abzuführen haben, sind sie in der Lage Preisnachlässe zu gewähren, mit denen Galerien schlichtweg nicht mithalten können. Dadurch haben sie die Möglichkeit, so zu kalkulieren, dass ihnen trotz großzügiger Rabatte mehr Netto vom Brutto bleibt als bei einem Verkauf über eine Galerie.

Mitarbeiter bringen Bilder des Künstlers Mark Grotjahn an einer Wand der Galerie Max Hetzler an.
Mitarbeiter bringen Bilder des Künstlers Mark Grotjahn an einer Wand der Galerie Max Hetzler an.Hannes P. Albert/dpa

Erheblicher Wettbewerbsnachteil

Für die Letztgenannten und den Kunsthandel insgesamt kam es 2014 aber noch bitterer. Denn gegenüber ihren Mitstreitern aus dem EU-Ausland entstand ein erheblicher Wettbewerbsnachteil, weil andere Mitgliedsstaaten ihren Kunstmarkt mit wesentlich niedrigeren Steuersätzen privilegierten. In Österreich sind es 13 Prozent, in den Niederlanden 9 Prozent und in Frankreich, dem Hauptumschlagplatz für Kunst innerhalb der EU, gar nur 5,5 Prozent. Dem ausländischen Kunsthandel bleibt so wesentlich mehr von seinen Umsätzen. Deutschland wurde als Marktplatz entsprechend auch unattraktiv.

Eine Steuersenkung klingt immer gut. Doch wer hat hierzulande den Nutzen davon? Für Künstler ändert sich unmittelbar zunächst einmal nichts. Für sie bleibt es ja bei dem Steuersatz von 7 Prozent. Und was ist mit den Kunden? Für sie dürfte auch alles bleiben, wie gehabt. Denn es ist kaum davon auszugehen, dass der Handel die Preise für Kunst senken wird, indem er den neu gewonnenen Steuervorteil an die Käufer weitergibt. Damit würde er den gerade erst dezimierten Wettbewerbsnachteil wieder egalisieren.

Die großen Nutznießer werden auch bei uns Galerien und Kunsthändler sein, denen vom Verkaufspreis künftig wesentlich mehr bleibt. Eine Differenz von 12 Prozent ist ganz erheblich. Das macht sie finanziell potenter und versetzt sie, wie es bei ihren ausländischen Konkurrenten schon der Fall ist, besser in die Lage, risikoreiche Investitionen tätigen und – was für einen derart launischen Markt besonders wichtig ist – Rückstellungen bilden zu können.

Wer Geld verdienen will, muss welches ausgeben, lautet eine Weisheit. Dafür muss man aber auch erst einmal welches haben. Messebeteiligungen beispielsweise sind teuer, unwägbar, aber dennoch wichtig. Hier trifft man auf potenzielle Käufer und wichtige Akteure des Kunstbetriebes wie Kuratoren und Medienvertreter. Auch ohne Publikationen und Werbung geht es nicht. Sichtbarkeit kostet Geld und ohne Sichtbarkeit generiert man keine Umsätze. Und von einer finanziell besser ausgestatteten Galerie, die sich solche Veranstaltungen und Ausgaben leichter leisten kann, werden letzten Endes auch ihre Künstler profitieren.

Eingedenk der für das kommende Jahr angekündigten Sparmaßnahmen des Berliner Senats, die auch den Kulturbereich betreffen, kommt diese Steuersenkung gerade in der Hauptstadt zur rechten Zeit. Auch wenn sie nur den gewerblichen Kunsthandel betrifft, nutzt sie dem hiesigen Kunstbetrieb doch insgesamt.

Vor dem Brandenburger Tor protestierten im November über Tausend Menschen gegen die Kürzungen des Kulturetats um zehn Prozent.
Vor dem Brandenburger Tor protestierten im November über Tausend Menschen gegen die Kürzungen des Kulturetats um zehn Prozent.Markus Lenhardt/dpa

Ausstellungen in Museumsqualität

Nach Angaben des Landesverbandes Berliner Galerien gibt es rund 350 private Galerien in der Stadt. Ihnen hilft die Steuersenkung dabei, Arbeitsplätze und ihren Künstlern Einkünfte zu sichern und, was nicht oft genug erwähnt werden kann, weiterhin Ausstellungen in Museumsqualität zu organisieren, deren Eintritt keinen einzigen Cent kostet. Viele Berliner Galerien übernehmen mit ihren qualitätsvollen Programmen und teilweise auch experimentellen und kommerziell unvernünftigen Präsentationen jene Aufgabe, die originär die öffentlicher Ausstellungshäuser und Institutionen ist, und das für den öffentlichen Haushalt zum Nulltarif.

So gesehen werden Galerien durch die Steuersenkung mehr als zuvor in die Lage versetzt, die Lücke zu füllen, die sich durch die Sparmaßnahmen im Berliner Kulturhaushalt vergrößern wird. Und davon profitieren am Ende alle Beteiligten des Kunstbetriebes.

Dirk Lehr ist Rechtsanwalt, Autor und Kunstsammler. Außerdem betreibt er den Kunstmarkt-Podcast Kunst Radar. Er lebt und arbeitet in Berlin.

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