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Wie Bad Gastein das Berlin der 90er-Jahre wiederaufleben ließ

Unser Autor war im österreichischen Bad Gastein auf Erkundungstour und kam zu dem Schluss: Hier kann man auch ohne Abfahrtsski einen schönen Urlaub erleben.

Wie ein Winterparadies sieht Bad Gastein aus.
Wie ein Winterparadies sieht Bad Gastein aus.Günter Gräfenhain/imago

Die angetrunkenen Skifahrer, die nach ihrer Après-Ski-Party mit den Skiern über den Schultern grölend durch das Dorf torkeln würden, nervten schon einige Dorfbewohner, sagt eine Stadtführerin nach der offiziellen Führung, und kommt dann schnell auf das Thema Umweltschädlichkeit des Skizirkus in den Alpen zu sprechen.

Das Thema ist nicht neu, denn immer neue Liftanlagen, Kunstschnee und das Erschließen der alpinen Natur für Skifahrer fordern ihren Tribut bei der Umwelt. Doch man kann auch einen superschönen Winterurlaub in Bad Gastein abseits der Pisten erleben. Schneeschuhwandern, Langlauf, Eislauf, Schlittenfahren oder einfach Spazierengehen in der Natur kann sehr erholsam sein. Dazu kommt das Angebot des Thermalbades Bad Gastein.

Schon die Anreise nach Bad Gastein kann nachhaltig per Eisenbahn erfolgen. Von Berlin braucht man dazu nur in München umsteigen, die komplette Fahrzeit – rund 840 Kilometer – nach Bad Hofgastein beträgt 7,5 Stunden. Aussteigen kann man in den hintereinanderliegenden Bahnhöfen Dorfgastein, Bad Hofgastein und Bad Gastein. In Bad Gastein fällt sofort die hohe Zahl leer stehender Hotels auf. Vor allem Bad Gastein, am Ende des Tals gelegen, hat schon einmal bessere Zeiten gesehen. Wenn man die hufeisenförmige Hauptstraße des Ortes entlangläuft, wird schnell klar, dass der Leerstand schon einige Zeit andauert.

Die Umweltschädichkeit des Skisports ist auch Thema in Bad Gastein.
Die Umweltschädichkeit des Skisports ist auch Thema in Bad Gastein.Schreyer/imago

Das gilt zumindest für Bauten wie das Kongresszentrum, ein wuchtiger Betonklotz, der mitten im Zentrum die Blicke auf sich zieht und mit vier Glaskuppeln verziert ist, die einmal als postmodernes Aussichtsplatz dienten. Schwer ist es nicht, durch den Keller in diesen Lost Place einzudringen. Doch Vandalismus ist kein Problem in Bad Gastein. Nach Jahrzehnten, in denen Besucher in Bad Gastein morbide Fassaden und geisterhafte Ruhe in den beschaulichen Straßen des Bergortes wahrnahmen, kommt jetzt Bewegung in den Alpenort.

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Nicht wenige Besucher fühlen sich an das Berlin der 90er-Jahre erinnert, als der Ostteil nach Jahrzehnten des Verfalls ungeahnte Freiräume bot, um kreative Projekte zu verwirklichen. Tyler Brulé, Gründer des Lifestylemagazins Monocle, nennt Bad Gastein denn auch das Berlin der Berge, und der Berliner Friedrich Liechtenstein, bekannt durch die supergeile Edeka-Werbung, verbringt seine Freizeit oft in Bad Gastein und ließ sich hier für zwei Alben inspirieren, die er nach dem Ort benannte: Bad Gastein und Good Gastein. Und noch eine Verbindung nach Berlin besteht: Josef Laggner, der in Berlin das Lutter & Wegner am Gendarmenmarkt betreibt, kommt aus Bad Gastein. Dort gehört ihm unter anderem die Kaiser Villa Solitude, ein traditionell eingerichtetes Hotel.

Blick auf Bad Gastein
Blick auf Bad GasteinUlderico Granger/imago

Der mondänste Hotelkasten, der nicht mehr als Hotel dient, ist das riesige Grand Hotel de l’Europe mit dem symbolhaften Turm auf dem Dach, und dem weithin sichtbaren, altmodischen Schriftzug des Hotelnamens. Beim Blick durch die Eingangstür kann man sich gut vorstellen, wie hier einmal Persönlichkeiten wie König Ferdinand von Bulgarien, König Asisal vom Irak, Heinrich Mann oder Liza Minelli ein- und ausgingen. Die Kulisse hätte sich perfekt geeignet für einen Film wie Grand Budapest Hotel von Wes Anderson.

Tatsächlich funktionierte das Casino im Haus noch bis 2015! Doch mit dem Monte-Carlo der Alpen ist jetzt endgültig Schluss. Heute sind viele Apartments in Privatbesitz, man sieht aber selten Menschen auf den leeren Fluren. Nebenan wirbt ein verstaubtes Schild über einer pompös gestalteten Eingangstür für das Lokal Weinfassl mit „Dinner“ und „Dancing“ im Keller. Wenn man sucht, findet man sogar noch etwas Nachtleben im Ort, etwa in der Lederhosenbar, der Silver Bullet Bar, dem Wührer oder in der „Hex“.

Trotz allem ging Bad Gastein den Weg vieler Kurorte, die unter den immer weniger werdenden Kurgästen litten.

Das Grand Hotel de l’Europe, inzwischen ein Appartementhaus.
Das Grand Hotel de l’Europe, inzwischen ein Appartementhaus.vladislavmavrin/imago

Rund 4000 Einwohner

Anfang der 2000er Jahre kam Hoffnung auf, als der Immobilienunternehmer Franz Duval fünf historische Häuser für 5 Millionen Euro kaufte. Doch lange passierte nichts. 2023 haben in dem Ort mit nur 4000 Einwohnern einige neue Hotels eröffnet, unter ihnen das Grand Hotel Straubinger, das einzige Fünf-Sterne-Haus des Ortes, und das gegenüberliegende Badeschloss. Stilprägend war wohl auch das kleine, aber äußerst feine Regina Hotel. Dessen Inhaber, der Hamburger Olaf Krohne, wollte schon im Alter von 19 Jahren in Bad Gastein ein Hotel eröffnen. Daraus wurde erst mal nichts.

2003 zog Krohne dann nach Bad Gastein, wohnte im Grand Hotel de l’Europe. Wenig später hatte er sich dann seinen Traum erfüllt und öffnete das Regina Hotel, schräg gegenüber des Grand Hotels. Schnell wurde es zum Zielort für die Großstadt-Boheme, siehe Friedrich Liechtenstein. Krohne setzt auf Bad Gastein, und eröffnete mit einem Partner ein weiteres historisches Hoteldorf nahe Bad Gastein, den „Grünen Baum“, in dem schon Helmut Kohl, Franz Beckenbauer und der Jude Law zu Gast waren. Doch das Wiederaufblühen des Grünen Baumes war kurz – seit 2018 steht das Hoteldorf wieder leer und ist dem Verfall preisgegeben. Doch Krohne ruht nicht, und plant bereits die nächste spektakuläre Hoteleröffnung: nämlich das historische Hotel Astoria in Bad Gastein, das einst der Familie Bally und Rothschild gehörte.

Mitten durch Bad Gastein rauscht ein riesiger Wasserfall. Dessen Wasser ist eisig kalt. Doch im Ort sprudeln auch diverse Brünnchen mit dem berühmten Bad Gasteiner Heilwasser, rund 47 Grad heiß. Es enthält das radioaktive Radon, und dass es die Gesundheit förderte, fiel bereits im 16. Jahrhundert auf. Heute kann man in einer Badewanne im Alpen-Spa 20 Minuten in diesem speziellen Wasser baden, und damit viele Leiden bessern.

Das Thermalbad in Bad Gastein
Das Thermalbad in Bad GasteinGünter Gräfenhain/imago

Wachsender internationaler Tourismus

Klaus Lemmerer leitet die Alpen Therme mitten im Ort. Rund 200 Angestellte kümmern sich hier um die Kurgäste und die vielen Saunen. Der steigende internationale Tourismus hat Lemmerer zu einem neuen Projekt inspiriert: weil Besucher aus anderen Ländern sich mit den vielen Nackten in der Sauna unwohl fühlen, wird jetzt das Kinderkino, das sich in einem Kubus mitten im Thermalbad befindet, zu einer Textilsauna umgebaut. Damit nicht genug: Mit einer Investition von rund vier Millionen Euro wird unter anderem ein Meerwasseraquarium erbaut, durch das die Besucher hindurchschwimmen können.

Neben den Thermalbädern des Ortes gibt es wenige Kilometer vom Dorf entfernt auch noch einen „Heilstollen“. Hier wurde bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges Gold abgebaut. Weil die Bergarbeiter auffallend gesund waren, untersuchte man die therapeutische Wirkung dieses Stollens, der eine hohe Lufttemperatur und hohe Luftfeuchtigkeit hat, und kam zum Schluss, dass er eine heilende Wirkung hat. Auch bei der Erkrankung Morbus Bechterev werden hier große Heilerfolge erzielt. So fahren heute Kurgäste mit einem kleinen Zug zwei Kilometer tief in den Stollen ein, um auf Holzbetten das gesunde Höhlenklima einzuatmen.

Auch die Landschaft um Bad Gastein ist reich an Entdeckungsmöglichkeiten.
Auch die Landschaft um Bad Gastein ist reich an Entdeckungsmöglichkeiten.Günter Gräfenhain/imago

Der kleine Kurort ist sehr rege, was die Organisation von Veranstaltungen betrifft. Zweimal im Jahr wird ein großes Yoga-Festival veranstaltet, außerdem gibt es Tanztage, und internationale Schlittenhunde-Rennen. Theoretisch gibt es auch zwei Schlittenbahnen im Ort. Die Rodelbahn Aeroplan hat eine Länge von 3,3 Kilometer, sie geht los an der Mittelstation der Schlossalmbahn. Die Schlossalmbahn ist eine moderne Kabinenbahn, die im Sommer zu 75% mit selbst erzeugter Solarenergie nachhaltig betrieben wird. Die Energie wird an „Solarbäumen“ erzeugt, die in einem kleinen „Wald“ vor der Talstation stehen. „Als Pilotprojekt werden außerdem zwei Treibstoffspeicher am Graukogel und am Stubnerkogel auf HVO umgestellt“, erklärt Laya Rana, die Nachhaltigkeitsverantwortliche des Gasteinertals. HVO ist die Abkürzung für Hydrotreated Vegetable Oil.

Die zweite Rodelbahn ist die Bellevue-Bahn, rund 2,5 Kilometer lang, hier führt ein Sessellift bergauf. Die Schlitten kann man sich jeweils oben am Berg ausleihen, und unten abgeben. Im Winter 2023/24 waren beide Bahnen jedoch lange Zeit gesperrt, weil der Schnee vereiste und die Pisten deshalb zu gefährlich wurden. Die Open-Air-Eisbahn mitten im Ort hat mit solchen Problemen nicht zu kämpfen, Eislaufen ist die ganze Wintersaison möglich. Und auch die Schneeschuhwanderungen, die man allein, oder geführt in der Gruppe an vielen Punkten unternehmen kann, haben in Bad Gastein einen besonderen Reiz.

Manchmal führen sie an vereisten Bergbächen entlang, manchmal durch den verschneiten Wald. Wer an Information über die alpine Flora, Fauna und Umwelt interessiert ist, sollte die geführten Schneeschuhwanderungen buchen. Meist enden sie an einer Hütte, wo man sich dann mit Spezialitäten wie Käsekrainer mit Speck-Sauerkraut, Frittatensuppe oder Kaiserschmarren mit Zwetschenröster stärken kann.

Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag freien Autorinnen und Autoren sowie jedem Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.

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