Verschwörungstheorien

Vom Saulus zum Paulus? Der Kniefall des Xavier Naidoo

Während der Pandemie kokettierte er mit der Reichsbürgerideologie. Nun gibt sich Xavier Naidoo geläutert. Meint er das ernst?

Xavier Naidoo erklärt sich seinen Fans.
Xavier Naidoo erklärt sich seinen Fans.dpa

Bestürzung, Wut, Verzweiflung, Empörung – der Krieg in der Ukraine hat auch bei den entfernten Beobachtern Gefühle aller Art ausgelöst. Neben den konkreten Hilfen und Bekenntnissen der Solidarität mit dem angegriffenen Land ist auch eine mentale Militarisierung spürbar geworden – so nennt der Philosoph Wolfram Eilenberger die verbreitete Forderung nach schweren Waffen selbst von Menschen, die bislang nicht als ausgewiesene Militärexperten aufgefallen sind.

Und jetzt das! Die Stimme der besänftigenden Vernunft ausgerechnet von dem Sänger Xavier Naidoo? Der war zuletzt durch schrille Thesen aufgefallen, die ihn nicht nur in der ideologischen Nähe von Reichsbürgern verorten ließen. Eine Zeit lang hatte er diese wohl auch gesucht. Jetzt gibt sich der Sänger, der sich nicht zuletzt gegen den Vorwurf zu erwehren hatte, antisemitische, homophobe und rassistische Liedzeilen verfasst zu haben, als geläutert und friedliebend. „Die brutale russische Invasion in die Ukraine, die Gewalt, die Menschenverachtung, die Tatsache eines Krieges, der gar nicht weit von uns entfernt ist, haben mich schockiert und tief erschüttert“, sagt Xavier Naidoo in einem am Dienstag auf Youtube hochgeladenen Video, in dem er sich an seine Fans und Follower wendet. „Dazu müsst ihr wissen: Meine Frau kommt aus der Ukraine. Und ihre, unsere Familie lebt dort. Auch ich bin öfter in der Ukraine. Und aus diesem wunderschönen Land musste ich jetzt Familie und Freunde herausholen, weil dort Angst und Schrecken herrscht.“

Viele Fehler gemacht

Xavier Naidoo belässt es aber nicht bei der persönlichen Betroffenheit angesichts der Schrecken des Krieges. Vielmehr nimmt er diese zum Anlass, sich von wirren Verschwörungstheorien zu lösen, die er über Jahre mit erschütternder Beharrlichkeit vertreten hat. Jetzt also innere Einkehr: „Mir ist bewusst geworden, wie wichtig es ist, sich selbst zu reflektieren. Ich habe erkannt, auf welchen Irrwegen ich mich teilweise befunden habe. Und dass ich in den letzten Jahren viele Fehler gemacht habe. Mir wurde bewusst, dass ich meine Familie, meine Freunde, meine Fans, Menschen, die mich verteidigt haben, aber auch viele andere Menschen mit verstörenden Äußerungen irritiert und provoziert habe, für die ich mich entschuldigen möchte.“

Als Grund für seine Irrungen und Wirrungen nennt Naidoo, der als Kopf der Band Die Söhne Mannheims in den 1990er-Jahren eine beispiellose Soul- und R&B-Karriere mit deutschen Texten gestartet hatte, die Suche nach Wahrheit, die ein zentraler Punkt seines Charakters sei. Auf diesen Weg, der kein leichter ist, hat Naidoo, der vorübergehend erfolgreich das TV-Format „Sing meinen Song“ moderiert hat, auch einige prominente Freunde mitgenommen. Zu den treuen Verteidigerinnen seiner kruden Weltanschauung gehört etwa die Sängerin Nena, die sich zuletzt unterstützend an die Seite von Impfgegnern gestellt hatte.

Nun schwört Xavier Naidoo ab, und misstrauische Menschen fragen sogleich, ob dies glaubwürdig sei oder nicht eher aus karrierestrategischen Motiven geschieht. Es war zuletzt still um die Bühnenexistenz Xavier Naidoo geworden. „Ich habe Dinge gesagt und getan, die ich heute bereue“, gesteht er am Ende des Videos. „Mir ist es deshalb wichtig, Euch zu sagen, dass ich mich von allen Extremen distanziere. (…) Peace. One Love. Euer Xavier.“

Demnächst wohl wieder in den verfügbaren Verbreitungsmedien. Als wenn es so einfach wäre, Rassismus und Antisemitismus hinter sich zu lassen.