Kommentar

Schönheit gegen den Krieg – Olena Selenskas Fotos in der Vogue

Verhöhnt die ukrainische Präsidentengattin die Opfer ihrer Landsleute? Im Krieg der Bilder setzt sie ihre Schönheit gegen Putins machtstarre Monstrosität ein.

Olena Selenska, die Gattin des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken in Washington
Olena Selenska, die Gattin des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken in WashingtonAP

Eine junge Frau sitzt auf einer Marmortreppe, die Säulen im Hintergrund sind durch Sandsäcke geschützt. Es ist nicht nur ein Posieren im Krieg, sondern auch ein Posing für den Krieg. Bei dem von der amerikanischen Star-Fotografin Annie Leibovitz abgebildeten Model für die amerikanische Modezeitschrift Vogue handelt es sich um die ukrainische Präsidentengattin Olena Selenska. Weitere Bilder zeigen sie mit ihrem Mann, auf denen der Präsident wie gewohnt sein olivgrünes T-Shirt trägt, das durch ihn in den letzten Monaten zu einer Art zivilen Uniform wurde.

Wie eine legere Kriegsgöttin

Die Kritik an den Bildern ließ nicht lange auf sich warten. Die Ästhetisierung des Krieges stelle eine Verhöhnung der Opfer dar. Vor dem Hintergrund eines Krieges, bei dem jeden Tag viele Menschen ums Leben kommen, werden die Aufnahmen von Annie Leibovitz als obszöne Verleugnung der verheerenden Wirklichkeit wahrgenommen. Sie habe nie ins Rampenlicht rücken wollen, wird Olena Selenska zitiert. Nun jedoch erscheint sie wie eine legere Kriegsgöttin, die ihren Landsfrauen, so jedenfalls die positive Lesart, in Zeiten des Kriegs Mut machen will.

Es ist eine Binsenweisheit, dass die Bilder des Krieges selbst ein Teil der Kriegsführung sind. Nach einem in Butscha von russischen Soldaten an der ukrainischen Zivilbevölkerung verübten Massaker waren es die rot lackierten Fingernägel einer getöteten Frau, die zum ikonografischen Kommentar über die Brutalität des Kriegs wurden. Nun ist es die in Szene gesetzte Schönheit der Präsidentengattin, die zeigen soll, dass es eine gesellschaftliche Normalität in der Ukraine gab, die durch Putins Krieg geraubt, aber nicht vollends vernichtet wurde. Gegen die machtstarre Monstrosität, die das leere Gesicht Wladimir Putins bei seinen öffentlichen Auftritten preisgibt, ruft Olena Selenska stumm: Hier bin ich! Hier will ich bleiben – wie ich bin!