Wer die europäische Friedensordnung angreift, das Völkerrecht mit Füßen tritt und massive Kriegsverbrechen begeht, darf nicht als Sieger vom Feld gehen. Das steht in einem offenen Brief, der seit Mittwoch verbreitet wird. Gemeint ist der russische Präsident als Verantwortlicher für den Angriffskrieg auf die Ukraine, wie der nächste Satz erklärt: „Putins erklärtes Ziel war und ist die Vernichtung der nationalen Eigenständigkeit der Ukraine.“ Zeit Online veröffentlicht den Brief, am Donnerstag erscheint er auch in der gedruckten Ausgabe, auf Change.org ist er zu finden und auch zu unterzeichnen.
Das „Nie wieder!“ der Deutschen
Dort trägt das Schreiben gleich zwei Überschriften. „Die Sache der Ukraine ist auch unsere Sache!“, lautet die eine, die im Text zum Beispiel mit der Formulierung, „es liegt im Interesse Deutschlands, einen Erfolg des russischen Angriffskriegs zu verhindern“ gestützt wird. Dargelegt wird auch, dass die Verteidigung der Unabhängigkeit der Ukraine ein Prüfstein dafür sei, „wie ernst es uns mit dem deutschen ,Nie wieder‘ ist“. Die zweite Überschrift – „Ein anderer Offener Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz“ – spielt auf die Debatte der vergangenen Tage an.
Am 29. April forderten 28 prominente deutsche Intellektuelle und Künstler verschiedener Sparten in der Zeitschrift Emma (gedruckt und digital) Bundeskanzler Olaf Scholz auf, dafür zu sorgen, dass Deutschland keine weiteren schweren Waffen an die Ukraine liefert. Die Rolle Russlands als Angreifer wurde zwar nicht in Zweifel gezogen, dennoch erntete der Brief viel Entrüstung. Vor allem, weil das Maß an Zerstörung und menschlichem Leid in der ukrainischen Zivilbevölkerung die Briefschreiber zu dem Schluss führte: „Selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor steht dazu irgendwann in einem unerträglichen Missverhältnis.“

Die Ukraine sei schuld wie eine vergewaltige Frau mit Minirock
In den sozialen Medien kursierte der Vergleich mit vergewaltigten Frauen, die selber schuld seien an ihrem Unglück, weil sie einen Minirock trügen. Die Ukraine brauche sich nicht zu wundern, wenn ihr Land zerstört wird, so eine Interpretation dieses Satzes, warum wehrt sie sich denn auch so heftig. In Fernseh-Talkshows und Radiosendungen kamen Erstunterzeichner wie Juli Zeh und Alice Schwarzer zu Wort, Kritik schlug ihnen in den Kommentarspalten der Zeitungen entgegen, auf Facebook und Twitter. Der Meinungsbeitrag des Musikers und Songpoeten Wolfgang Müller, „Warum ,Aufrüstung ja oder nein‘ die falsche Frage ist“, zunächst auf seiner Webseite veröffentlicht und über Twitter verlinkt, landete als Gastkommentar im Nachrichtenmagazin Spiegel.


