Wenn Aufmerksamkeit die Währung ist, in der Protestaktionen vergütet werden, dann war der Angriff der Umweltaktivisten der Letzten Generation auf Claude Monets Gemälde im Potsdamer Museum Barberini äußerst erfolgreich und einträglich. Was ist der Ärger von ein paar Autofahrern im Stau gegen die Empörung der gesamten bürgerlichen Welt in ihrer Sorge um die Klassiker der künstlerischen Moderne?
Wer nicht wie die Klimakinder besessen ist von der Vorstellung, dass buchstäblich keine Minute mehr zu verlieren sei im Kampf gegen die Gefahren der Erderwärmung, dem erscheint es zumindest widersinnig, dass ausgerechnet in der und durch die Kunstgeschichte beruhigte Werte und Werke zur Zielscheibe eines Zornes geworden sind, der nur eine Devise kennt: beschleunigtes Handeln zur Rettung des Klimas jenseits der herkömmlichen zivilisatorischen Maßstäbe.
Eine symbolische Intervention
Der Widerspruch ist offensichtlich: Claude Monets „Getreideschober“ und Vincent van Goghs „Sonnenblumen“, die unlängst in London beschmiert wurden, könnten als impressionistische Wiedergabe des Naturschönen durchaus Komplizen eines Weltverständnisses sein, das den Erhalt natürlicher Umweltbedingungen zur Voraussetzung künftiger Lebensweisen macht. „Solche Landschaftsgemälde“, sagte denn auch die Potsdamer Museumsdirektorin Ortrud Westheider am Sonntag, „könnten Besucherinnen und Besuchern auch dazu Anstoß geben, ihre Beziehung zur Umwelt zu reflektieren und zu hinterfragen“.
Die Aktivistinnen und Aktivisten folgen allerdings einer anderen Logik. Sie wollen ja gerade nicht artig und kontemplativ über das Verhältnis von Kunst, Kultur und Natur nachdenken. Ihr aggressiv-aktionistisches Vorgehen, das auf eine Museumswelt trifft, die gegen derartige Attacken kaum gewappnet scheint und es aufgrund ihres eigenen Selbstverständnisses primär auch nicht sein möchte, setzt auf Irritation und Erschrecken. Entwarnung erlaubt allenfalls die Tatsache, dass der als Waffe eingesetzte Kartoffelbrei keine zersetzende Wirkung hat. Am Ende ist es doch wieder eine symbolische Intervention anstelle handfester Zerstörung.
Wenn das Kopfschütteln über das Potsdamer Spektakel ein wenig nachgelassen hat, ist es vielleicht angebracht, über die Logik und Geschichte des Umweltprotestes nachzudenken, der in dieser Form zu Beginn der 70er-Jahre erfolgreich von Greenpeace zu einer Art Marke erhoben wurde. Die in Kanada gegründete Non-Profit-Organisation hatte sich zunächst mit spektakulären, zum Teil lebensgefährlichen Aktionen gegen Kernwaffentests und Walfang engagiert und dabei staatlichen Widerspruch ebenso ausgelöst wie jugendliche Abenteuer- und Nachahmungslust. So kann es heute als weithin unbestritten gelten, dass Greenpeace im Verlauf der letzten 50 Jahre weltweit wertvolle Expertise und praktisches Know-how zu Fragen der globalen Erwärmung, Atomkraft und Gentechnik beigesteuert hat. Aus den rebellischen Störern ist eine wichtige zivilgesellschaftliche Instanz geworden, auf deren Beitrag in vielen Bereichen, in denen es auf eine problemorientierte Verknüpfung von Wissenschaft und Politik ankommt, kaum verzichtet werden kann.


