WM-Kolumne

Fußball im Strudel der Milliarden

Vor 30 Jahren wurde die Champions League gegründet. Beinahe gleichzeitig erschien Nick Hornbys „Fever Pitch“. Ein Einwurf.

Vor 30 Jahren schrieb er das ultimative Buch über einen Fußball-Fan: der britische Autor Nick Hornby.
Vor 30 Jahren schrieb er das ultimative Buch über einen Fußball-Fan: der britische Autor Nick Hornby.epa

Die Leidenschaft für den Fußball hat einen Namen: „Fever Pitch“. So heißt das Buch des britischen Autors Nick Hornby, der darin 1992 seine früh entflammte, nie erloschene Liebe zu einem Londoner Klub beschreibt, den FC Arsenal. Es ist eine tragische Beziehung, über viele Jahre ist sie geprägt von Enttäuschung, Niederlage und den Versuchen, wieder aufzustehen.

Nick Hornby war elf, als er 1968 das erste Mal im Londoner Highbury-Stadion war. Und das Unvergessliche dieses Nachmittags beschreibt er so: „Den tiefsten Eindruck auf mich machte, wie sehr die meisten Männer um mich es hassten, wirklich hassten, dort zu sein.“

Delirien des Glücks

In seinem gerade erschienen Buch „Um jeden Preis“ (Kiepenheuer & Witsch) schildert der Sportschriftsteller Christoph Biermann diese Szene so: „Für Hornby ist die Liebe der Fans eine tragische, weil sie letztlich immer enttäuscht wird. Der Fan hasst sich dafür, dass er seine Zeit in heruntergekommenen Stadien an lausige Kicker verschwendet. Er kommt aber dennoch wieder, weil er dort die Gemeinschaft der Gleichgesinnten und in seltenen Momenten die Delirien des Glücks erlebt, wie sie nirgends anders zu erleben sind.“

Der Fußball hat sich in den 30 Jahren, seit Hornby ihn als Vehikel einer tragikomischen Suche junger Männer nach sich selbst beschrieben hat, deutlich verändert. Die lausigen Kicker sind gefeierte Stars, selbst die unteren Ligen haben einen radikalen Professionalisierungsschub hinter sich. Die überwältigende Männlichkeit, die den jungen Hornby im Stadion faszinierte, hat weiblichen Beistand bekommen. Das Publikum ist gemischt, und die Spieler bringen zu ihren Auftritten bei großen Turnieren noch eigens ihren Friseur mit.

Christoph Biermann führt indes aus, dass 1992 noch etwas anderes passiert ist. Die Champions League wurde gegründet, und durch sie sei es wenigen Klubs wie nie in der Geschichte des Fußballs zuvor gelungen, den sportlichen Erfolg zu monopolisieren.

Die WM in Katar und deren skandalöse Vergabe erwähnt Biermann nur am Rande, dafür aber vernichtend: „In diesem Strudel der Milliarden und der völligen Abwesenheit von so etwas wie einen moralischen Kompass offenbarte sich die Fifa nicht einmal mehr als schwacher Staat, sondern als failed state.“ Die heißen Emotionen des Fußballs – selten waren sie ohne die Kälte des Geldverdienens zu haben. In Katar noch bis zum 18. Dezember.