Sport und Gesellschaft

Die Wahrheit über Oliver Kahn – das Scheitern der Nachfolge als soziales Problem

Das Schauspiel, das sich gerade beim FC Bayern München abspielt, ist ein allzu oft vernachlässigtes Merkmal von Organisationen – auch abseits von Fußball.

Oliver Kahn (Foto) und Hassan Salihamidzic wurde die Versetzung verweigert, Ersterer erhielt sogar schlechte Kopfnoten.
Oliver Kahn (Foto) und Hassan Salihamidzic wurde die Versetzung verweigert, Ersterer erhielt sogar schlechte Kopfnoten.Laci Perenyi / imago

Ist das noch Fußball? An den Vorgängen in der Profiabteilung des FC Bayern München lässt sich gerade ablesen, welche Schwierigkeiten die geordnete Anleitung einer Organisation bereiten kann. War man im Verein an der Säbener Straße im Süden der bayerischen Landeshauptstadt lange davon ausgegangen, über Spezialwissen und Erfahrung in Sachen Führung zu verfügen, so ist jetzt wohl zu konstatieren, dass dies mit Tabellenführung verwechselt worden ist.

Nachfolgeregelungen gehören zu den Kernfragen einer Organisation, und allzu oft lässt sich deren Scheitern beobachten. In München offenbarte sich dies zum Wochenende in Form von Ausschluss und Feierverbot. Zwei verdienten Altmeistern, Oliver Kahn und Hassan Salihamidzic, wurde die Versetzung verweigert, Ersterer erhielt sogar schlechte Kopfnoten. Sobald es persönlich wird, ist die öffentliche Aufmerksamkeit garantiert. Der Münchner Fußballklub darf sich als Gebilde rühmen, zu dem alle eine Meinung haben – so oder so.

Im modernen Staatswesen dienen Wahlen dazu, eine geordnete Nachfolge zu regeln. Wenn es klappt, nennt man das Demokratie. Geht es aber schief, kann es für sehr viele Menschen schlimme Folgen haben. Diktatoren haben keine Skrupel, Kriege zu entfachen, um an der Macht zu bleiben. Die Übergabe des Zepters kommt in ihrem Weltbild nicht vor. So gesehen ist das Interregnum von Hoeneß und Rummenigge beim FC Bayern eine zivile Lösung. Das Scheitern der Nachfolgereglung muss allerdings als ihr Versagen verbucht werden.

Der Wildwuchs informeller Strukturen

Sie haben verkannt, was der Soziologe Niklas Luhmann in seinem Buch „Der neue Chef“ (Suhrkamp) als markantes Problem des Verwaltungshandelns beschrieben hat. Primitive, relativ ungegliederte Sozialordnungen, so Luhmann, beruhen in hohem Maße auf sozial vorgeschriebenen und eingelebten Rollenkombinationen in je einer Person. „Das Familienoberhaupt ist zugleich Produktionsleiter, Kriegschef, Vortänzer, Mitglied des Stammesrates und anderes mehr.“

Die Probleme fangen damit an, dass Nachfolger meist damit überfordert sind, in all diese Rollen zugleich einzurücken. Wenn der alte Chef geht und der neue noch nicht etabliert ist, treibt der Wildwuchs informeller Strukturen seine Blüten. Schöner hat es nur Dolly Parton gesagt: „Wild Flowers Don’t Care, Where They Grow“. Für Außenstehende stellt die Ungewissheit der Nachfolge ein Schauspiel dar, das sehr oft noch als Männerding aufgeführt wird und je nach Gemütslage Schauder, Spaß oder Lust bereitet.